Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern. Piasten: 984 Bolesław I. Chrobry

Widmungsblatt zum Liuthar-Evangeliar (Evangeliar Ottos III., Aachener Evangeliar), um 1000. Buchmalerei aus dem Kloster Reichenau, Domschatzkammer Aachen, Inv. Nr. 25
Widmungsblatt zum Liuthar-Evangeliar (Evangeliar Ottos III., Aachener Evangeliar), um 1000. Buchmalerei aus dem Kloster Reichenau, Domschatzkammer Aachen, Inv. Nr. 25

In den Jahren bis zum Frieden von Bautzen 1018 eskalieren die Auseinandersetzungen „in gegenseitigen Verwüstungszügen“ (Görich), die von Seiten des Kaisers üblicherweise als „Polenkriege Heinrichs II.“ bezeichnet werden. Gleichzeitig pflegt Bolesław freundschaftliche Beziehungen zu den sächsischen Adligen, die ihm taktische und kriegerische Vorteile verschaffen und denen Heinrich mit Sanktionen gegen die Sachsen begegnet. Thietmar berichtet mehrfach darüber, dass sächsische Adlige „Maßnahmen Heinrichs gegen den Polen boykottierten“.[17] Unterstützung findet Bolesław auch durch den Missionsbischof Brun von Querfurt (um 974-1009), der in einem an Heinrich gerichteten Brief[18] appelliert, das unakzeptable Militärbündnis mit den heidnischen Lutizen zu lösen. Er solle nicht weiter gegen den christlichen polnischen Herrscher Krieg führen, sondern „sich auf die Verbreitung des Evangeliums unter den Heiden konzentrieren“: Er, Brun, liebe Bolesław „wie seine eigene Seele und mehr als sein eigenes Leben“.[19]

Die Angriffskriege, die Bolesław gegen Heinrich II. und dessen Verbündete führt, dienen vor allem dazu, die Herrschaft über Gebiete östlich von Elbe und Saale, in Böhmen und über Polen hinaus bis nach Kiew zu gewinnen. Der 1018 auf der Burg zu Bautzen geschlossene Friede zwischen den Kontrahenten, bei dem Hermann von Meißen als Vermittler auftritt, beruht, so Görich, „ganz wesentlich auf der friedens- und bündnisstiftenden Funktion“ einer neuerlichen Ehe, nämlich der gleichzeitig 1018 geschlossenen vierten Ehe von Bolesław mit Hermanns Schwester, Oda von Meißen. „Hermann, durch Heinrichs Unterstützung Markgraf geworden, kehrte nun zum durch Verwandtschaft gesicherten Interessenausgleich mit dem Piasten zurück, der schon die Beziehungen seines Vaters Ekkehard zu den polnischen Nachbarn geprägt hatte.“[20]

Auf seine erste Erhebung zum König hat Bolesław offenbar selbst nicht vertraut. Nach dem Tod Heinrichs II. im Jahr 1024 lässt er sich im Folgejahr, kurz vor seinem eigenen Ableben, von einem Gesandten des Heiligen Stuhls (erneut?) zum König von Polen krönen. 1025 wird er neben seinem Vater im Dom von Posen beigesetzt (Abbildungen unten).

Axel Feuß, Juli 2021

 

Literatur:

Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020

Robert F. Barkowski: Die Piasten und die Anfänge des polnischen Staates, Berlin 2018

Christian Igelbrink: Freundschaft, Herrschaft, Fehde. Die Beziehungen Mieszkos I. von Polen zu den ottonischen Königen und den Großen des Reiches, Baden-Baden 2017

Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, in: Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015, Seite 81 f., 89, 97, 102 f.

Norbert Kersken: Gescheiterte politische Eheverbindungen im östlichen Europa, in: „Köztes-Európa“ vonzásában. Ünnepi tanulmányok Font Márta tiszteletére, herausgegeben von Dániel Bagi, Pécs 2012, Seite 245-258

Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011, Seite 20-30

Der Hoftag in Quedlinburg 973. Von den historischen Wurzeln zum Neuen Europa, herausgegeben von Andreas Ranft, Berlin 2006 (darin: Gerd Althoff: Otto der Große und die neue europäische Identität, Seite 3-18; Roman Michałowski: Polen und Europa um das Jahr 1000, Seite 51-72; Hedwig Röckelein: Heiraten, ein Instrument hochmittelalterlicher Politik, Seite 99-136)

Gerd Althoff: Otto III., Darmstadt 2005

Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005

Kazimierz Jasiński: Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 80-94

Michał Kara: Anfänge der Bildung des Piastenstaates im Lichte neuer archäologischer Ermittlungen, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 5, Historisches Institut der Universität Warschau/Instytut Historyczny Uniwersytetu Warszawskiego, 2000, Seite 58-85

Christian Lübke: Zwischen Polen und dem Reich. Elbslawen und Gentilreligion, in: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“, herausgegeben von Michael Borgolte, Berlin 2002, Seite 91-110

Johannes Fried: Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum, 2. Auflage, Stuttgart 2001

Otto III. – Heinrich II.: eine Wende?, herausgegeben von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, 2. Auflage, Stuttgart 2000 (darin: Gerd Althoff: Otto III. und Heinrich II. in Konflikten, Seite 77-94; Knut Görich: Eine Wende im Osten: Heinrich II. und Boleslaw Chrobry, Seite 95-167)

Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148

Herbert Ludat: An Elbe und Oder. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa, Köln 1971

(alle Links in den Anmerkungen wurden zuletzt im Juli 2021 aufgerufen)

 

[17] Althoff 2006 (siehe Literatur), Seite 16

[18] Epistola ad Henricum II imperatorem, 1002-1009, vergleiche Bayerische Akademie der Wissenschaften, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, https://www.geschichtsquellen.de/werk/716

[19] Michałowski 2006 (siehe Literatur), Seite 52. Michałowski resümiert (Seite 54): „Wir haben es mit einer paradoxen Situation zu tun: Der sächsische Bischof, Mitglied der europäischen intellektuellen Elite, ein Mensch, den Familien- und Freundschaftsbande mit der deutschen Machtelite verbanden, erkennt Polen als Hauptmissionszentrum an, ein Land, das erst in der zweiten Generation christlich war. Ernsthafte Zweifel hegt er hingegen daran, und dies bringt er öffentlich zum Ausdruck, ob Deutschland weiterhin ein Zentrum der Christianisierung ist.“

[20] Görich 2000 (siehe Literatur), Seite 134

Mediathek
  • Denkmal auf Mieszko I. und Bolesław I., 1828/40

    Christian Daniel Rauch: Doppelstandbild auf Mieszko I. und Bolesław I. Chrobry, 1828/40. Bronze, Kathedrale St. Peter und Paul, Goldene Kapelle, Poznań
  • Sarkophag Mieszko I. und Bolesław I, um 1840

    Neugotischer Sarkophag für Mieszko I. und Bolesław I. Chrobry, um 1840. Kathedrale St. Peter und Paul, Goldene Kapelle, Poznań