Die Macht des Netzes. Oder das Netzwerk polnischer Frauen in Deutschland
Der Erfolg des Projekts „PolMotion – Bewegung der polnischen Frauen“ macht uns optimistisch. Das deutsch-polnische Mentoring-Programm, das in Berlin/Brandenburg, in der Region Hamburg/Bremen sowie in Bayern umgesetzt wurde, eröffnet neue Chancen auf politisches und kulturelles Engagement in Deutschland. Das Projekt zeigt aber auch die Probleme auf, mit denen die polnischen Akteurinnen beschäftigt sind. Anna Czechowska, Vorstandsmitglied von agitPolska und Koordinatorin des Projekts, resümiert treffend, worum es geht: „Arbeit auf freiwilliger Basis, fehlende Strukturen, das Denken von Projekt zu Projekt und fehlende Strategien, wie man andere Organisationen einbinden könnte.”
Bei alledem fehlt es uns sicher nicht an Energie und Engagement. Zudem verbinden uns viele Fragen, Themen und Probleme, die gelöst werden wollen und die zur Zusammenarbeit motivieren. Manche dieser Dinge betreffen uns auch selbst. Über sie sagt Dr. Adrianna Tomczak von Polki sobie radzą: „Ich habe mich darauf konzentriert, Polen, die ins Ausland ausgewandert sind, zu helfen, ihr Leben positiv zu verändern (…). Viele Menschen sagten mir, dies sei ein hoffnungsloses Unterfangen, ich sollte es lassen, wegen der Einstellung, der Mentalität. Die Polen seien eine Nation, die eher wenig integriert sei. Es wird Zeit, das zu ändern.”
Zum anderen, gibt es strukturelle Dinge, die wir beeinflussen können und müssen. Anna Czechowska nimmt darauf Bezug und sagt: „Ich bin dafür, die Strukturen in Deutschland zu verändern, indem man Frauen dazu animiert, sich in Parteien, Gewerkschaften und in der Verwaltung einzubringen. Wichtig für mich ist eine stärkere Präsenz polnischer Frauen sowie ihre Zusammenarbeit mit anderen Frauen, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben.”
Vorteile in diesem Sinne bieten Kooperationen, gemeinsames Wirken und schließlich das Networking zum Austausch von Informationen, Ressourcen, gegenseitiger Hilfe und von Möglichkeiten durch zunehmende Verknüpfungen untereinander, aber auch die klassische Kontaktpflege in der realen Welt, beispielsweise durch Teilnahme an Ereignissen und Projekten, die dafür nützlich sind.
Die technologische Entwicklung hat uns die Möglichkeit verschafft, Kontakte virtuell zu pflegen, was vor allem durch die Nutzung von „Social Media“-Kanälen begünstigt wird. „Dank ihrer, wenn auch nur virtuell, können wir Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen, können wir Personen finden, die ähnlich denken und fühlen, selbst wenn uns manchmal tausende Kilometer voneinander trennen. Personen, die es in unserer unmittelbaren Umgebung nicht gibt“, schwärmt Dr. Adrianna Tomczak von Polki sobie radzą. So startete auch Dominika Rotthaler, die Gründerin der Gruppe Polki w Monachium (Polinnen in München), die sich zuerst in einem Blog unter dem Namen „Polka w Monachium” (Eine Polin in München) mitgeteilt hat und der heute „Pani Dominika” (Frau Dominika) heißt. Sie schreibt über die deutsche Kultur aus polnischer Sicht, über die Zweisprachigkeit, über das Leben in der Emigration, über interessante Angebote für Kinder sowie über Reisen durch Deutschland. Oft vermischen sich die beiden Formen dieser Aktivität oder sie gehen sogar ineinander über. Darüber spricht Adrianna, wenn sie sagt: „Für die Frauen in Italien entstand eine Schwestergruppe Polki sobie radzą. Przedsiębiorcze Polki we Włoszech (Polinnen schlagen sich überaus gut. Engagierte Polinnen in Italien), mit dem Unterschied, dass sie einen Schritt weiter gegangen sind und ihre Beziehungen aus der virtuellen in die reale Welt übertragen haben. Diese Frauen treffen sich in ihrem Kreis, regen sich untereinander an und entwickeln sich. (…) Dabei ist das nur der Anfang. Ich weiß, es gibt viele solche Initiativen in der ganzen Welt, da wir uns instinktiv nach der Anwesenheit und der Nähe eines Menschen sehnen, was nichts, kein Medium, je ersetzen wird.”
Ähnliche Empfindungen hatten wir bei dem erwähnten Hamburger Brunchs, zu dem fast 100 Frauen kamen. Alle haben das Bedürfnis ausgedrückt, solche Initiativen zu haben, die das Kennenlernen, den Aufbau von Partnerschaften sowie den Wissens- und Erfahrungsaustausch begünstigen. Von diesem Event hatten sie im Internet erfahren, durch Einladungen, die sie per E-Mail bekamen, durch Posts auf Facebook und natürlich auch durch Mundpropaganda. Das Treffen, die Gespräche und die „World Café“-Diskussionen über die Emanzipation der Frauen, zumal der Polinnen, über ihre Präsenz im öffentlichen Leben und ihren Zugang zum qualifizierten Arbeitsmarkt haben Emotionen und ein Gemeinschaftsgefühl geweckt.
Ela Poszumska fasste das poetisch zusammen, als sie sagte: „(…) ich muss immerzu daran denken, was für eine wunderbare Energie, welche Kraft und wie viel kostbare Überlegungen bei diesem Treffen zum Vorschein kamen. Das hat meine ohnehin starke Überzeugung, dass wir uns gegenseitig brauchen, noch mehr gestärkt. Wir müssen uns begegnen, und wir müssen unseren Reichtum teilen. Ich weiß auch, dass dies ein gewisses Maß an Fähigkeit zur Einsicht in den eigenen Reichtum, in die eigene Klugheit und in den eigenen Glanz verlangt. Sehen wir das alles nicht, sind wir nicht in der Lage, uns dafür zu öffnen, was in der Gruppe vor sich geht.”
Nutzen wir also die Macht des Netzes – sowohl im Sinne einer Kommunikationstechnologie als auch eines Netzwerkes.
Greta Gorgoń, Juli 2019
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