Der NS-Strafvollzug an polnischen Häftlingen: Das „Polenlager“ in Eich
Ermöglicht wurde die Einrichtung eines eigenen Stammlagers in Eich für polnische Häftlinge im Frühjahr 1942 durch die Polenvollzugsordnung vom Januar 1942, mit der das Justizministerium die Einrichtung von Stammlagern und Außenstellen für den Strafvollzug an polnischen Häftlingen festlegte.[9] Damit wurde ein Vorhaben aus dem Reichjustizministerium von 1941 präzisiert, in dem die Einrichtung von Straflagern für Menschen jüdischen Glaubens und Pol:innen vorgesehen war: „Die Polenstrafrechtsverordnung ersetzte Gefängnis und Zuchthaus durch ein einfaches und verschärftes Straflager.“[10]
Ganz im Sinne der NS-Rassenideologie, die die Polinnen und Polen etwa gegenüber Westeuropäerinnen und Westeuropäern in ihrem Menschsein herabstufte, erfuhren die Strafgefangenen polnischer Herkunft besondere Formen der Diskriminierung:
„Der Vollzug in den sog. „Polenlagern“ sollte noch härter sein als in anderen Lagern der Justizgefangenen. Unbedingte Disziplin und harte Arbeit ohne Arbeitslohn kennzeichneten den Alltag. Die Arbeitszeit dauerte regelmäßig eine Stunde länger als in Zuchthäusern. Die physische Leistungsfähigkeit der polnischen Gefangenen sollte tagtäglich bis zur Erschöpfung ausgenutzt werden.“[11]
Zwar handelte es sich bei den Strafgefangenenlagern nicht um Konzentrationslager, mit all ihren perfiden Formen der Demütigung, exzessiver Gewalt oder einem aktiv betriebenen Plan zur Vernichtung durch Arbeit, allerdings gilt für die von der Justiz betriebenen Gefangenenlager Rodgau, dass die Arbeitskraft der Inhaftierten umfassend ausgebeutet wurde, bei gleichzeitiger mangelnder Lebensmittelversorgung und unzureichenden hygienischen Bedingungen. Todesfälle als Folge der Lebens-und Arbeitsbedingungen wurden auf diese Weise in Kauf genommen[12] und erinnern damit auch an die Zustände in Konzentrationslagern. Zwischen den Lagern selbst bestanden allerdings auch wiederum Unterschiede, so erfolgte die Unterbringung im Stammlager Dieburg in massiv gebauten Gebäuden, in den Stammlagern Eich und Nieder-Roden mussten die Häftlinge in Baracken unterkommen, es ist daher davon auszugehen, dass dies auch einen Einfluss auf die Sterberate hatte: „Nach Erkenntnissen der Gemeinde Eich liegen auf dem Lagerfriedhof des Stammlagers Eich mindestens 61 Zwangsarbeiter.“[13] Damit weist das „Polenlager“ in Eich zusammen mit seinen Außenlagern, nicht in absoluten Zahlen, aber im Verhältnis zur Anzahl der Inhaftierten, die höchste Sterberate auf.[14]
Zu den Besonderheiten des Stammlagers III gehörte, dass in seinen Außenlagern auch Polinnen inhaftiert waren; sie waren damit die einzigen Frauen unter den Strafgefangenen innerhalb des Lagerkomplexes Rodgau, und so mussten 100 polnische Zwangsarbeiterinnen im Außenlager Groß-Rohrheim ab dem Frühjahr 1942 für die Agerzellulose GmbH arbeiten. Das Außenlager wechselte allerdings im Frühjahr 1943 die Zuständigkeit und wurde dann vom Lager Dieburg verwaltet.[15]