Der Mauersammler Ludwik Wasecki

Ludwik Waseckis berühmteste Installation „Goldene Zukunft“ auf der Wiese in Sosnówka.
Ludwik Waseckis berühmteste Installation „Goldene Zukunft“ auf der Wiese in Sosnówka.

Doch ein Jahr nach dem Fall der Mauer wurde für ihre abgebrochen Segmente sehr viel verlangt. Ein Stück aus Stahlbeton kostete damals rund 15.000 DM. Wasecki brauchte für seine Installationen fünf bis sechs Segmente. Bei ihrer Beschaffung erwies sich Dr. Hildebrandt als hilfreich. Er machte den polnischen Zahnarzt mit Hagen Koch bekannt, einem ehemaligen Stasi-Offizier und Kartographen, der die allererste Mauerlinie im August 1961 zunächst skizziert und dann auch real festgelegt hatte. Nach dem Fall der Mauer wurde er ironischerweise mit dem Abriss des schändlichen Bauwerks beauftragt, das die Stadt Berlin 28 Jahre lang teilte.

Hagen Koch half Wasecki, die ersten sechs Mauersegmente gegen eine Spende an das von Dr. Hildebrandt geleitete Museum zu erwerben. Der ehemalige Stasi-Offizier nahm sich in dieser Zeit der Aufgabe an, das Gedenken an das Bauwerk zu organisieren, indem er Dokumente über den Bau der Mauer in seiner Privatwohnung sammelte, darunter auch operative Unterlagen der Staatssicherheit. Bald danach macht sich ein LKW mit einer sechzehn Tonnen schweren Ladung auf den Weg zu Waseckis privater Wiese in Sosnówka im Kreis Oleśnica (dt. Oels), vierzig Kilometer nördlich von Wrocław. Doch bevor die sechs Fragmente der Berliner Mauer dort ankommen, stehen die Zöllner an der deutsch-polnischen Grenze vor einem echten Dilemma – wie sind Abbruchteile der Berliner Mauer zu verzollen? Unter den Einwohnern des kleinen Orts Sosnówka geht damals das Gerücht um, dass die Betonblöcke zum Bau eines Luxushotels verwendet werden sollen. Stattdessen aber wachsen auf der Wiese Kunstinstallationen des polnischen Zahnarztes aus Berlin empor.

1991 informiert Rainer Hildebrandt Ludwik Wasecki über die Möglichkeit, weiterer Mauersegmente zu erwerben. Der Zahnarzt träumt von einer weiteren Großinstallation: er möchte in Sosnówka Mauerfragmente in Form einer Parabel aufstellen. Und er hat das Glück auf seiner Seite. Die DDR-Regierung versteigert in Monte Carlo ein Dutzend Betonblöcke, die noch bis vor kurzem Berlin geteilt haben. Sie werden zwar alle verkauft, aber nicht alle abgeholt, so dass Wasecki einige von ihnen für einen symbolischen Preis erwirbt und nach Sosnówka bringt. Da er aber immer noch zu wenige Mauerstücke hatte, um eine Parabel zu errichten, erwarb er nach und nach weitere Fragmente. Erst als er rund 40 besaß, konnte die Parabel Form annehmen.

Ludwik Wasecki wurde im Laufe der Zeit zum weltweit größten Mauersammler außerhalb Berlins. Er betont stets, dass es nicht sein Ziel gewesen sei, eine Sammlung zu begründen, sondern es gehe ihm lediglich um die Verwirklichung künstlerischer Visionen. Mittlerweile plant der Berliner Zahnarzt jedoch keine weiteren Installationen mehr. Dafür macht er der Öffentlichkeit die existierenden Werke gern zugänglich und präsentiert sie in verschiedenen Ausstellungen.

 

Monika Stefanek, Juni 2018

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  • Ludwik Wasecki in seiner Zahnarztpraxis in Berlin-Charlottenburg

    Ludwik Wasecki in seiner Zahnarztpraxis in Berlin-Charlottenburg.
  • Ludwik Wasecki in seiner Zahnarztpraxis in Berlin-Charlottenburg

    Ludwik Wasecki in seiner Zahnarztpraxis in Berlin-Charlottenburg.
  • Ludwik Waseckis berühmteste Installation „Goldene Zukunft“ auf der Wiese in Sosnówka

    Ludwik Waseckis berühmteste Installation „Goldene Zukunft“ auf der Wiese in Sosnówka.
  • Fragment rozmowy Moniki Stefanek z Ludwikiem Waseckim (po polsku)

    Fragment rozmowy Moniki Stefanek z Ludwikiem Waseckim (po polsku)