Das Zwangsarbeiterlager Neuaubing
Zwangsarbeit in München
Etwa 13 Millionen ausländische Arbeitskräfte mussten für das NS-Regime Zwangsarbeit leisten. In München arbeiteten sie für Rüstungskonzerne wie Krauss-Maffei, BMW und Dornier, waren aber auch in vielen kleineren Unternehmen und Betrieben beschäftigt. Auch die öffentliche Hand setzte Zwangsarbeiter ein, etwa im Straßenbau. Für das Jahr 1944 sind über 120.000 „zivile Fremdarbeiter“ in der Stadt belegt. Dar über hinaus wurden Tausende Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Arbeit gezwungen.
Insgesamt waren während des Krieges über 150.000 Zwangsarbeiter in München tätig. Die meisten waren Zivilisten aus der Sowjetunion („Ostarbeiter“), insbesondere aus der Ukraine. Viele kamen auch aus Polen. Während sich anfangs manche freiwillig meldeten, verschleppten die Deutschen im Kriegsverlauf zunehmend massenhaft Menschen aus den besetzten Gebieten.
Ohne die systematisch organisierte Zwangsarbeit hätte das NS-Regime den Krieg nicht so lange führen können. Bis heute wird an dieses Massenverbrechen nur ungenügend erinnert. Nur sehr spät und lediglich an einige Gruppen wurden Entschädigungen gezahlt.
Lebensbedingungen im RAW-Lager Neuaubing
Die meisten Münchner Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in einer von über 400 Sammelunterkünften untergebracht. Auch wenn die Lebensbedingungen unterschiedlich waren, litten die Insassen überall unter schlechter Hygiene, Drangsalierung, mangelnder Privatsphäre, Hunger und Heimweh.
Das Barackenlager an der Ehrenbürgstraße diente der Reichsbahn spätestens ab Mitte 1942 als Unterkunft für Zwangsarbeiter des Ausbesserungswerks Neuaubing. Nach derzeitigem Kenntnisstand waren dort etwa 1.000 Menschen interniert. Die Mehrzahl stammte aus der Sowjetunion, andere kamen aus Polen, Italien, den Niederlanden, Frankreich, Kroatien, der Tschechoslowakei und Jugoslawien. Je nach Herkunft wurden sie besser oder schlechter behandelt.
Unter den „Ostarbeitern“ und Polen befanden sich ganze Familien samt Kindern und Großeltern. Einige der Lagerinsassen heirateten untereinander und bekamen Kinder. Aber auch 14 Todesfälle, darunter einige Selbstmorde, sind bekannt. Dutzende flohen im Frühjahr 1945 vor den Bomben der Alliierten und aus der Gefangenschaft.
Zwangsarbeit im Dienst der Reichsbahn
Die Reichsbahn hatte einen großen Bedarf an Zwangsarbeitern, der im Kriegsverlauf noch weiter anstieg. In München betrieb die Bahn unter anderem zwei Ausbesserungswerke in Freimann und Neuaubing. Dort wurden Panzer- und Lazarettzüge sowie Personenwaggons für den Kriegseinsatz gefertigt und repariert. Diese Arbeit war körperlich und psychisch belastend.
Die meisten „Fremdarbeiter“ des RAW Neuaubing lebten im Lager an der Ehrenbürgstraße. Bewaffnete Reichsbahnmitarbeiter führten die Männer, Frauen, Jugendlichen und Kinder morgens zum Werk und abends zurück ins Lager. Sie mussten länger und für weniger Lohn arbeiten als deutsche Arbeiter und hatten kaum Schutz oder Rechte.
Als kriegswichtiger Betrieb war das RAW Ziel von Luftangriffen. Im Juli 1944 wurde es schwer getroffen. Für Zwangsarbeiter gab es keine Luftschutzbunker. Nach dem Krieg führte die Bundesbahn das Werk bis 2001 weiter. 2015 begannen die Abrissarbeiten auf dem Gelände, wo nun ein Wohngebiet entsteht.
Gesichter der Zwangsarbeit
Die Opfer der Zwangsarbeit fanden nach dem Krieg kaum Beachtung. Erst spät rückten sie ins Blickfeld von Forschung und Öffentlichkeit. Das NS-Dokumentationszentrum stellt die in München betroffenen Menschen und ihre Schicksale in den Mittelpunkt des Konzepts für den neuen Erinnerungsort.
Zu den unmittelbar in Neuaubing eingesetzten Zwangsarbeitern war lange Zeit nichts bekannt. 2012 wurde im ukrainischen Jewmynka mit Iwan Hont erstmals ein noch lebender Zeitzeuge ausfindig gemacht. Inzwischen konnte durch systematische Recherchen mit einer Reihe weiterer ehemaliger Insassen und deren Nachkommen in verschiedenen Ländern Kontakt aufgenommen werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse und Dokumente dienen der Vorbereitung der Ausstellung und fließen in die künftigen Informations- und Bildungsangebote des Erinnerungsorts Zwangsarbeiterlager Neuaubing ein. Die Biografien von zahlreichen Betroffenen können durch Audio- und Filminterviews dargestellt werden.
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