Das Bewahren vor dem Vergessen. Der Friedhof Altglienicke in Berlin
„Vor dem Vergessen bewahren. Den Toten ihre Identität zurückgegen. Sie aus dem Teufelskreis der Anonymität herausreißen“, das war eine der Losungen für den vom Berliner Senat ausgelobten Wettbewerb, an die sich Klaus Leutner in unserem ersten Gespräch erinnerte. Für die Autoren des schließlich siegreichen Projekts, die Österreicher Katharina Struber und Klaus Gruber von der Arbeitsgemeinschaft struber_gruber, und das Architektenbüro outside - landschaftsarchitektur, sei die lebendige Erinnerung der Hauptimpuls für die Neugestaltung dieser Begräbnisstätte gewesen. In diesem Sinne entschieden sie sich dafür, für die dort Bestatteten jeweils eine Patenperson zu suchen, die mit ihrer Handschrift ausschließlich den Namen und die Lebensdaten des/der Verstorbenen festhalten sollte. Diese individuellen Schriftzüge, die hell im grünen Glas leuchten sollten, stellten für sie das Herzstück des Erinnerungsortes dar. Sie haben diese Form gewählt, da sie der Meinung waren, dass Erinnerung und Gedenken zwischen den heute lebenden Menschen entstehe. Durch die künstlerisch-architektonische Form der Gedenkstätte sollte ein Ort der Information und der Erinnerung geschaffen werden, der auch den Hinterbliebenen ein angemessenes Trauern ermöglichen sollte. Die Umsetzung der außergewöhnlichen Idee wurde jedenfalls durch die Beteiligung vieler nachgeborener Menschen geprägt.
Indessen war der Weg bis dahin alles andere als leicht, zumal wegen der visionären Gestaltung dieses Orts, die sich polnische Mitarbeiter der Katholischen Mission hatten einfallen lassen. Sie beklagten, dass es bei dem prämierten Projekt „keine Symbolik“ gäbe und führten weiter aus: „Ein wichtiges Symbol für uns Polen [Fettmarkierung des Autors – W.D.] – nicht nur für unsere Religion, sondern auch für die Zivilisation der letzten 1.000 Jahre – wäre ein Kreuz.“ Zudem sollten die Namen auf Steintafeln eingemeißelt werden. In diesem Zusammenhang fand Herr Woźniak das Projekt, das den Zuschlag bekommen hat und umgesetzt werden soll, „laienhaft“.
Ich frage mich, mit welchem Recht Woźniak seine Auffassung im Namen aller Polen vertritt und ob der polnischen Tradition tatsächlich nur das Meißeln in Stein und die Errichtung von Kreuzen überall dort, wo je ein Pole seinen Fuß hingesetzt hat, zuzuschreiben ist ... Was ist mit den jüdischen Häftlingen, die hier bestattet sind ...? An die hat Herr Woźniak wohl gar nicht gedacht. Und noch etwas: In der polnischen Welt werden Stimmen laut, die eine symbolische Umbettung der Asche eines ermordeten Opfers, beispielsweise eines Priesters, in seine Heimaterde verlangen. So zu sagen: „Als symbolische Geste: Ein Pole kommt nach 70 Jahren wieder nach Hause zurück.“