Kropiński, Józef
Kropiński, Józef, polnischer Geiger und Komponist. 1941-43 im KZ Auschwitz, 1943-45 im KZ Buchenwald, wo er über einhundert Stücke komponiert, das Polnische Theater und Konzertreihen organisiert. Im KZ Flossenbürg befreit. *28.12.1913 Berlin-Lichtenberg, †8.10.1970 Wrocław. Sohn von Władysław K. und seiner Ehefrau Rozalia, geborene Wojciechowska. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs übersiedelt die Familie nach Bydgoszcz. 1929-33 Besuch des Handelsgymnasiums/Liceum Handlowe, Abitur. Gleichzeitig besucht er die Musikschule/Szkoła Muzyczna Leona Jaworskiego und studiert in den 1930er-Jahren Geige am Konservatorium/Bydgoskie Konserwatorium Muzyczne bei dem Violinisten Wilhelm von Winterfeld (1880-1943). Er bedient die Orgel an der Kirche seiner Heimatgemeinde, unterrichtet Bratsche an der Jaworski-Musikschule, wo er bis 1938 auch Mitglied des Lehrerorchesters ist. Sein Repertoire bewegt sich zwischen klassischer Musik, die er öffentlich aufführt, und populären Stücken im privaten Kreis. 1937/38 Militärdienst. 1938 nimmt er auf Anraten seines Vaters eine Stelle bei der Französisch-polnischen Eisenbahngesellschaft/Francusko-Polskie Towarzystwo Kolejowe an. Schon nach kurzer Zeit leitet er als stellvertretender Dirigent das Orchester und als Chorleiter den gemischten Chor Hasło der Eisenbahngesellschaft. Im August 1939 wird er zum Kriegsdienst eingezogen, seine Einheit von den Deutschen gefangenen genommen und nach Magdeburg in Kriegsgefangenschaft gebracht. Von dort kann er fliehen und nach Bydgoszcz zurückkehren. Im Mai 1940 wird er, nachdem er antifaschistische Flugblätter verteilt hat, von der Gestapo verhaftet und nach über einem Jahr Gefängnishaft im November 1941 in das KZ Auschwitz überstellt. Im April 1942 nimmt ihn der Leiter des Lagerorchesters, der mit den Deutschen kollaborierende Franciszek Nierychło, als ersten Geiger und Notenkopisten in das Orchester auf. K. beginnt mit ersten Liederkompositionen, darunter zu Gedichten von Lagerinsassen. Im März 1943 wird er in das KZ Buchwald verlegt. Dort entdeckt ihn das illegal agierende Internationale Lagerkomitee als Komponisten, woraufhin K. in einem abgeschiedenen Raum und ausschließlich nachts über einhundert Kompositionen schafft, darunter Lieder, Märsche, Charakterstücke, Tänze, Klavier‑, Kammer‑ und Orchestermusik sowie eine Oper und eine Operette. Außerdem arrangiert er rund vierhundert weitere Stücke. Die Kompositionen und Arrangements von K. finden Eingang in die Kulturabende des Polnischen Theaters und der von allen Nationalitäten besuchten Kinohallen-Konzerte. Bis zum Frühjahr 1945 finden mit Erlaubnis der Lagerverwaltung rund 27 dieser Konzerte meist sonntags nach dem Abendappell statt. Neben Vorführungen russischer Akrobaten, tschechischer Lieder und Stücken des Lagerorchesters werden Kompositionen von K. populär, darunter ein grotesker Marsch mit dem Titel „Oh, Pepita“, aufgeführt von der polnischen Gruppe Die Sieben und einem Tanz von Władyslaw Targlaski, sein Marsch „Kopf hoch“, der unter den Gefangenen weite Verbreitung findet, die exotische Parodie „Traum von der Südsee/Sen południowych wód“ oder „Die fünf von der Albatross/Pięciu z Albatrosa“ mit einem hawaiianischen Bauchtanz unter dem Titel „Charakterstück/Utwór charakterystyczny“. Die Südseeparodie in gereimten Versen wird bis zum Kriegsende mehrfach wiederholt. Alle diese Aktivitäten entstehen in einem Umfeld extremer Überbelegung des Lagers, von Hunger und Krankheiten. Im April 1945 wird K. auf einem Todesmarsch vom KZ Buchwald ins KZ Flossenbürg „evakuiert“, wo er am 24.4.1945 von der US-amerikanischen Armee befreit wird. Nach einem Aufenthalt im DP-Camp Föhrenwald bei Wolfratshausen kehrt er im August 1945 mit 111 geretteten Kompositionen nach Bydgoszcz zurück. Im Dezember 1945 heiratet er in Kalisz Maria Walczak, das Paar hat zwei Söhne. In den folgenden Jahren arbeitet er als kaufmännischer Angestellter bei der Direktion für landwirtschaftliches Bauen in Wrocław.
Literatur:
Inge Lammel /Günter Hofmeyer: Lieder aus den faschistischen Konzentrationslagern = Das Lied – im Kampf geboren, Heft 7, Leipzig 1962
Inge Lammel: Kopf hoch, Kamerad! Künstlerische Dokumente aus faschistischen Konzentrationslagern, 2. Auflage, Berlin 1966
Waldemar Kropiński: Józef Kropiński (1913-1970). Nauczyciel, instrumentalista i kompozytor, in: Nauczyciele muzyki na Pomorzu i Kujawach, herausgegeben von Aleksandra Kłaput-Wiśniewska, Bydgoszcz 2008, Seite 87-103
Tonträger:
CD-Reihe KZ Musik, Rom: Associazione Musikstraße, 2006 ff., CD 1, 6, 8, 9, 11, 12, 16, 21, vergleiche https://www.discogs.com/Various-KZ-Musik-CD-1/release/13833421
Online:
Barbara Milewski: Józef Kropiński, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen, Universität Hamburg 2012, https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005320
Barbara Milewski: More Music for the Kinohalle! Józef Kropiński’s Compositions in the Buchenwald Concentration Camp (2012), auf: The Orel Foundation, http://orelfoundation.org/journal/journalArticle/more_music_for_the_kinohalle/ (mit bildlichen Dokumenten und Tonbeispielen)
dasselbe zusätzlich in Französisch und mit einem Verzeichnis der auf der CD-Reihe KZ Musik enthaltenen Kompositionen, auf: Mes musiques régénérées, http://www.musiques-regenerees.fr/GhettosCamps/Camps/KropinskiJozef.html
Biografie auf Music and the Holocaust, http://holocaustmusic.ort.org/places/camps/death-camps/auschwitz/kropinskijozef/
Kropiński, Józef, auf Archiwum muzyczne (Akademia muzyczna im. Feliksa Nowowiejskiego w Bydgoszczy), http://www.archiwummuzyczne.pl/musics/people/416
Komposition „Kopf hoch …“ im United States Holocaust Memorial Museum, Washington, https://collections.ushmm.org/search/catalog/pa1175029
(alle Links wurden zuletzt im November 2019 aufgerufen)
Axel Feuß, November 2019