„Immer noch einiges im Argen“. Interview mit Holger Schlageter, Autor von „Unter deutschen Betten. Eine polnische Putzfrau packt aus“

PP: Wie viel in dem Buch haben Sie eigentlich dazu erfunden?
HS: Vielleicht so 30 Prozent. Oft handelt es sich dabei aber nicht um komplett Ausgedachtes, sondern um ein Frisieren des bestehenden Materials, damit es sich möglichst gut erzählen lässt. Den Prolog habe ich mir tatsächlich ausgedacht. So einen Paukenschlag zum Auftakt.
PP: Das Buch war ein großer Erfolg. Ein Jahr später gab es einen Folgeband.
HS: Ja, „Nicht ganz sauber. Eine polnische Putzfrau räumt auf.“ Und 2017 kam die Verfilmung „Unter deutschen Betten“ in die Kinos. Mit Magdalena Boczarska als „Justyna“ an der Seite von Veronica Ferres und Heiner Lauterbach. Ich konnte am Drehbuch beratend mitwirken, und das war für mich neu und spannend. Und ich bin im Rückblick froh, dass das Buch nicht nur in Deutschland ein Nummer 1 Bestseller gewesen ist, sondern auch in Polen. Auch in anderen europäischen Ländern kam das Buch gut an. Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte.
PP: Wurden denn durch die Buchveröffentlichungen auch Debatten über das Thema „ausländische Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor“ angestoßen?
HS: Ja, so war es. Vor allem hat „Justyna“ auch die damalige „Mindestlohn“-Debatte stark mit angeregt. Und in Polen fing man an, über ukrainische Putzfrauen zu sprechen, die dort in ganz ähnlichen Verhältnissen gearbeitet haben. Meine Hauptgewährsfrau ist übrigens als „Justyna“ mit Perücke und Sonnenbrille in deutschen und vor allem in polnischen Talkshows aufgetreten und hat dort das Thema populärer gemacht.
PP: Wie beurteilen Sie die Situation polnischer Putzfrauen in Deutschland heute.
HS: Zunächst einmal hat sich die Situation in Polen geändert. Das Land hat jetzt in der EU viel bessere Perspektiven und die Menschen dort sind sich ihres Wertes viel mehr bewusst. Putzkräfte in Deutschland kommen heute häufig aus anderen Ländern. Leider sind die offiziellen Beschäftigungsverhältnisse immer noch viel zu wenige. Die große Mehrheit arbeitet weiterhin schwarz. Und das bedeutet eine quasi-rechtlose Situation. Auch gibt es ja noch andere Arbeitsbereiche, über die man viel mehr reden müsste: Lieferdienstmitarbeiter etwa, oder die ganze Pflege, die von Menschen aus dem Ausland übernommen wird. Leider muss man immer wieder daran erinnern, dass da einiges nicht richtig läuft. Ich bin ein optimistischer Mensch und schaue mehr auf die Möglichkeiten als auf die Hindernisse. Aber ich sage auch: Da ist immer noch einiges im Argen.
PP: Haben Sie schon ein neues Buchprojekt?
HS: Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, nach zehn Büchern in zehn Jahren aktuell nicht mehr viel Neues zu sagen zu haben. Vor allem bin ich auch als CEO meines Schlageter-Instituts voll ausgelastet. Wenn mich aber noch einmal ein Thema so stark anweht, wie es damals mit „Justyna“ passiert ist, werde ich mich dem sicher nicht versperren.
Das Gespräch führte Anselm Neft für Porta Polonica im Januar 2025.