„Immer noch einiges im Argen“. Interview mit Holger Schlageter, Autor von „Unter deutschen Betten. Eine polnische Putzfrau packt aus“

PP: Wie sind Sie beim Schreiben des Buches vorgegangen?
HS: Ich habe viele Interviews geführt, Anekdoten gesammelt, recherchiert. Unter den Putzkräften hatte ich schließlich eine Hauptgewährsfrau, die mir aber auch Geschichten ihrer Kolleginnen übermittelt hat. Ich habe mich dann dafür entschieden, unter Pseudonym zu schreiben, damit das Ganze lebendig und direkt wirkt. Auch habe ich einen einfachen und humorvollen Zugang gewählt, um möglichst viele Leser:innen zu erreichen. Ich wollte keine Predigt schreiben, sondern einer idealtypischen Putzfrau eine Stimme geben.
PP: Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie Ihre „Justyna Polanska“ denn gestaltet?
HS: Ich habe Sie schon an meine Hauptgewährsfrau angelehnt. Eine schlagfertige, tatkräftige, widerstandsfähige Person, die gut beobachten kann und nichts so leicht persönlich nimmt. Aber natürlich handelt es sich um eine Kunstfigur. Das beginnt schon mit der Sprache. Das ist ja nicht das Deutsch, das die polnischen Putzfrauen gesprochen haben.
PP: Könnte man Ihnen da nicht zumindest heute den Vorwurf der kulturellen Aneignung machen? Sie haben sich eines Themas bedient, das nicht Ihres ist und damit Geld gemacht.
HS: Klar, der Vorwurf liegt auf der Hand. Ich habe alle Erlöse aus dem Buch 50 zu 50 mit dem Vorbild der „Justyna“ geteilt. Sie selbst hätte, wie so viele Putzfrauen, das Buch nicht schreiben können, und wäre sehr wahrscheinlich auch nie auf die Idee dazu gekommen. Und ich hätte das Buch auch nicht schreiben können, wenn es nicht Putzfrauen wie sie gegeben hätte. Ich sehe das als win-win-Situation und nicht als ein Fortsetzen der Ausbeutung.
PP: Wie haben die polnischen Putzfrauen das Buch aufgenommen?
HS: Sehr, sehr gut. Viele waren einfach super-happy, das lesen und ihren Verwandten, Bekannten und Freunden zeigen zu können. Viele haben mir gesagt, dass es sie stolz macht, und dass sie dankbar sind. Das war eine tolle Resonanz.
PP: War die Resonanz allgemein so gut?
HS: Tatsächlich ja. Das Buch kam zum richtigen Zeitpunkt und hat einen Nerv getroffen. Sowohl aus Deutschland als auch aus Polen habe ich viel Zuspruch erhalten und richtig gute Rückmeldung bekommen. Sogar in den sozialen Medien waren gut 80 Prozent der Kommentare positiv. Die anderen 20 Prozent gingen so in die Richtung „Die sollen sich nicht so haben, diese Putzen. Wenn’s ihnen hier nicht passt, sollen sie nach Polen verduften.“ Mit solchen Äußerungen war ja leider zu rechnen. Sie demonstrieren eine kleingeistige Mentalität, die in dem Buch ja auch dargestellt wird.