Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis an der Mosel
Die Räumung des KZ-Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis
Wenige Zeit nach dieser Hinrichtung vieler Menschen, im Juli 1944, wechselte die Lagerleitung von Walter Scheffe zu SS-Untersturmführer Heinrich Wicker, der sie bis zur Räumung des Lagers und der Deportation der Häftlinge Mitte September 1944 innehatte.[22] Er war wegen seiner willkürlichen Disziplinarmaßnahmen nicht nur bei den Häftlingen, sondern sogar beim Wachpersonal gefürchtet. Um den 14. September 1944 kam der Befehl zur Lagerräumung und zum Abzug aus Bruttig und Treis. Lastwagen brachten die Häftlinge zum Cochemer Güterbahnhof, wo sie eine Nacht und einen Tag in Bahnwaggons zusammengepfercht warten mussten, bevor es am Abend des 15. September losging.[23] Sie wurden in das Konzentrationslager Mittelbau-Dora, ein großes Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald gebracht. In dem großen Transport von Mitte September befanden 617 polnische Häftlinge und 336 sowjetische sowie 22 als „Politische Franzosen“ gezählte. Einige Mitarbeiter der WIDU GmbH führten eine sehr eingeschränkte Grundproduktion bis Januar 1945 fort.
Der schwierige Weg zur Erinnerung
In einer Arbeitsgruppe, die von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz einberufen wurde, wurde in den Jahren 2018 und 2019 ein Gedenkkonzept erarbeitet, um die Geschichte des Lagers an seinen authentischen Standorten und an den Orten, die historisch mit dem Lager verbunden waren, besser zu präsentieren und Information und Gedenken im öffentlichen Raum zu befördern.[24] Erste aktive Auseinandersetzungen mit der Geschichte des Lagers hatte es schon früher gegeben. Anstoß für eine erste öffentliche Diskussion im eigentlichen Sinne war das von Ernst Heimes verfasste Buch Ich habe immer nur den Zaun gesehen[25], das erstmals 1992 erschien. Gegen diese Aufarbeitung der Lagergeschichte regte sich in den Orten Cochem, Treis und Bruttig Widerstand, was z. T. auch im Vorfeld der Realisierung des Buches die behördliche Herausgabe von Dokumenten betroffen hatte. Aber es gab auch einigen Zuspruch und Unterstützung für die Erforschung und die öffentliche Thematisierung.
Während die Vorbereitungen liefen, um eine Arbeitsgruppe für ein Gedenkkonzept einzuberufen, erschien eine umfangreiche Dokumentation über den Tunnel und das Lager, mit einem Schwerpunkt auf der Baugeschichte – Deckname: ‚Zeisig‘. Dokumentation zum Treis-Bruttiger Tunnel[26]. Das Konzept, das vorliegt, soll durch Akteure vor Ort konkret umgesetzt werden. Dafür gibt es Anregungen, die vor Ort „diskutiert, entwickelt und umgesetzt werden sollen“.[27]
Wichtige Orte, die einbezogen werden sollen, sind die beiden Friedhöfe, die große Lagerbaracke in Bruttig, der Bahnhof in Cochem, der Blick auf das Tunnelgelände von verschiedenen Seiten. Auch eine Informationstafel in Treis, wo fast alle Spuren des Lagers noch relativ spät durch die Bebauung eines Industriegebiets getilgt wurden, wäre sinnvoll. Der Bahndamm in Bruttig, über den die Häftlinge vom Lager zum Tunnel marschieren mussten, kann ein Ort des Gedenkens werden, der etwas anderes aussagt als die jetzige Informationstafel, die die Geschichte des Lagers verschweigt. Und überlegt wird in dem Konzept auch, wie das Wohngebiet von Bruttig einbezogen werden kann, in dem das Lager stand.[28] Denn die große Baracke ist bei weitem nicht das einzige erhaltene Gebäude, eine Reihe von Baracken wurden zu Wohnhäusern umfunktioniert.
Bis zum Ende des Jahres 2021 wurde die Umsetzung des Konzepts noch nicht in Angriff genommen. Spuren der Erinnerung an die vielen Hundert KZ-Häftlinge aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich und vielen anderen Ländern sind weiterhin im öffentlichen Raum so gut wie nicht zu finden.
Julia Röttjer, Januar 2022
[22] Anschließend wurde Heinrich Wicker Leiter der „SS-Kampfgruppe Wicker“ im KZ Dachau. Dort wurde er sehr wahrscheinlich von den Amerikanern nach deren Einmarsch und Befreiung des Lagers erschossen – Heimes, Ernst: Ich habe immer nur den Zaun gesehen. Suche nach dem KZ-Außenlager Cochem, überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, Zell/Mosel 2019. Vgl. Koppenhöfer, Peter: Heinrich Wicker. Von der Hitlerjugend zum Führer eines Todesmarsches, Schwäbisch Hall 2011.
[23] Heimes: Ich habe immer nur den Zaun gesehen, S 56.
[24] Hetzel: Konzept für die Gedenkarbeit, S. 18f.
[25] Heimes: Ich habe immer nur den Zaun gesehen.
[26] Guido Pringnitz, Deckname: ‚Zeisig‘. Dokumentation zum Treis-Bruttiger Tunnel, Kiel 2016.
[27] Hetzel: Konzept für die Gedenkarbeit, S. 20.
[28] Ebenda, S. 20–46.