Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis an der Mosel
Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis an der Mosel
Im März 1944 wurde eilig ein Konzentrationslager in Kochem (heute: Cochem) an der Mosel und den beiden nahegelegenen Ortschaften Bruttig (heute: Bruttig-Fankel) und Treis (heute: Treis-Karden) errichtet. Das Lager sollte Arbeitskräfte für ein Industrievorhaben zur Verfügung stellen. Es war ein Teil des sogenannten A-Vorhabens, mit dem Anlagen der Rüstungsproduktion verlegt werden sollten, um sie besser vor Bombenangriffen zu schützen. Insgesamt zehn Vorhaben wurden in bereits bestehende Tunnel und Höhlen verlagert. Die Produktionsstätte in Kochem bekam die Bezeichnung A7 und den Decknamen „Zeisig“. Produktionsstätte sollte der etwa zweieinhalb Kilometer lange Tunnel werden, der in der Zwischenkriegszeit zwischen den beiden Ortschaften Bruttig und Treis für die Reichsbahn gebaut worden war. Da er dieser Bestimmung niemals zugeführt worden war, hatten ihn die Einwohner:innen der anliegenden Ortschaften zur Champignonzucht genutzt, wovon er noch verschmutzt war. Mit dem Vorhaben A 7 wurde der Tunnel zu einer der Stätten, an die die Firma Robert Bosch ihre Zündkerzenfertigung unter Tage verlagerte. Dazu wurde eigens eine Tarnfirma mit dem Namen WIDO GmbH gegründet.[8] Für den Bau der Lager war außerdem die Firma Fix aus dem Ahrtal verantwortlich, die auch Arbeiten am Tunnel übernahm, wobei jeweils alle schweren Arbeiten stets von Zwangsarbeitern ausgeführt werden mussten.[9]
Der erste Transport mit etwa 300 Männern kam am 10. März 1944 in Kochem an. Neben den Wachleuten und dem ersten Lagerkommandanten Rudolf Beer waren es fast ausschließlich Häftlinge französischer Herkunft. Da nichts vorbereitet worden war, wurden die Häftlinge zunächst in den Tanzsaal des örtlichen Wirtshauses „Schneiders“ gepfercht. Sofort nach der Ankunft begannen die Arbeiten: Der Tunnel musste gesäubert, umgerüstet und ausgebaut werden. Parallel wurde mit dem Bau des Lagergeländes in Bruttig und, nach ein paar Tagen, mit einem zweiten Lagergelände in Treis – auf der anderen Seite des Tunnels – begonnen. Die Struktur des Lagers war, was eher ungewöhnlich war, dreiteilig, denn verschiedene Verwaltungsaufgaben des Lagers wurden schließlich von Kochem aus übernommen, wo sich Lagerbedienstete an mehreren Standorten ansiedelten.[10] Von den ersten 300 Häftlingen waren 232 sogenannte Nacht- und Nebelhäftlinge, eine Bezeichnung für politische Häftlinge, die als angenommene Widerstandskämpfer ohne weitere Informationen verschleppt worden waren. Da diese aus dem Stammlager irrtümlich nach Kochem geschickt worden waren – sie durften nicht in Außenlagern eingesetzt werden – wurden sie nach ein paar Wochen eilig zurück nach Natzweiler überführt.[11]
Die Zahl der Häftlinge wuchs allerdings schnell an, auf über 1.500 Menschen gleichzeitig. Das ist durchaus die Dimension eines größeren Lagers – zum Vergleich: Im KZ-Außenlager bei den Frankfurter Adlerwerken, die Fahrgestelle für Rüstungszwecke produzierten, waren es insgesamt über die Dauer des Bestehens 1.616 Häftlinge.
Für das KZ-Außenlager Kochem ließen sich bisher mindestens 2.409 Häftlinge identifizieren. Sie stammten aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Elsass-Lothringen, Italien, Kroatien, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, Rumänien, den Niederlanden, Luxemburg und dem damaligen Deutschen Reich; unter ihnen waren auch Staatenlose. Die größten drei Häftlingsgruppen kamen aus: Polen (1.078), der Sowjetunion (578), Frankreich (324).[12]
[8] Stähle-Müller, Ksenia: Das Außenlager Kochem-Bruttig-Treis, hrsg. v. NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, in: Rheinland-Pfalz. Blätter zum Land Nr. 80 [o. J. / 2019].
[9] Ahrem, Ewald Wilhelm: „Ich heiße Fix, ich zahle fix, ich will auch fix gearbeitet haben!“. Das Bauunternehmen der Familie Fix im Ahrtal, in: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 75 (2018), S. 92–97.
[10] Stähle-Müller: Blätter zum Land.
[11] Hetzel, Kerstin [Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz]: Konzept für die Gedenkarbeit zum KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis. Erarbeitet im Rahmen einer Arbeitsgruppe in Cochem 2018/2019, S. 11.
[12] Stähle-Müller, Ksenia: Das Außenlager Kochem-Bruttig-Treis. Perspektiven und Herausforderungen einer historischen Aufarbeitung, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 46 (2020), S. 123–148.