Stefanowicz, Kajetan
Stefanowicz, Kajetan, polnischer Maler, Zeichner und Offizier, Mitglied der „Münchner Schule“. 1908-10 an der Akademie der Bildenden Künste München. *12.7.1886 Drohobycz (heute Drohobytsch, Ukraine), †29.9.1920 gefallen im Polnisch-Sowjetischen Krieg in Ostróżki bei Rohaczew/Rohaczów nad Słuczą (heute Ostrozhok bei Rohachiv-Volynska am Slutsch, Ukraine**). Sohn des Malers, Professors und k.k. Schulinspektors*** Antoni Stefanowicz (1858-1929) und dessen Ehefrau Maria, geborene Krzysztofowicz, armenischer Herkunft. Die Familie ist Mitglied der armenisch-katholischen Kirche. 1897-1902 Schulbesuch in Lemberg/Lwów (heute Lviv), erster Mal- und Zeichenunterricht beim Vater. 1904 Abitur in Kolomea/Kołomyja (heute Kolomyja, Ukraine). Ab 1905 studiert er Architektur bei dem Architekten und Maler Edgar Kováts (1849-1912) in Lemberg an der Technischen Universität/Politechnika Lwowska. 1906 wechselt er nach Krakau an die Akademie der Schönen Künste/Akademia Sztuk Pięknych und studiert bei dem Spätimpressionisten Józef Pankiewicz (1866-1940) und bei dem Jugendstil-Maler Józef Mehoffer (1869-1946). Am 13.10.1908 Eintritt in die Malschule des Genre- und Landschaftsmalers Otto Seitz (1846-1912) an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München, Studium bis 1910. Nach vorübergehender Rückkehr nach Lemberg reist er 1911 mit einem Stipendium nach Paris und studiert an der École nationale supérieure des arts décoratifs bei dem für seine Frauenbildnisse bekannten Porträt- und Historienmaler Ferdinand Humbert (1842-1934). 1913 geht er nach Lemberg zurück. 1914 tritt er nach einem Mobilisierungsaufruf in die Ostlegion ein. Ab Februar 1915 dient er bei den Polnischen Legionen, ab 1917 im österreichisch-ungarischen Heer, ab 1918 in der polnischen Wehrmacht. Im November 1918 ist er mit der Bürgermiliz an der Verteidigung der inzwischen polnisch besetzten Stadt Lemberg beteiligt. 1919 nimmt er während des Polnisch-Sowjetischen Kriegs im Rang eines Leutnants an der Einnahme von Vilnius teil und schreibt als Kriegskorrespondent für polnische Zeitungen und die Wochenzeitschrift Świat. Im selben Jahr gründet er zusammen mit anderen die polnische Kunst- und Literaturzeitschrift Wianki. 1920 wird er als Ausbildungsleiter in das Militärministerium versetzt. Im Mai nimmt er an einer Expedition nach Kiew teil, im September stirbt er bei einer militärischen Kundschafteraktion in Wolhynien. Posthum wird er vielfach militärisch ausgezeichnet. – Während seiner Zeit in München malt S. vor allem Landschaften, Porträts und bürgerliche Genreszenen (siehe Titelbild). Zunächst noch naturalistisch ausgeführt, zeigen seine Damenbildnisse zunehmend Eleganz, anmutige und raffinierte Posen und Gesten und einen Reichtum an Farben in flächiger Komposition. Unter dem Einfluss eines späten Jugendstils entstehen dekorative und symbolistische Kompositionen („Frau mit Schlange“, Aquarell, 1913), für die häufig die Ehefrau Sabina, geborene Walczyńska, als Vorbild und Muse dient. Gelegentlich nehmen dekorative Kompositionen mit symmetrischem Bildaufbau („Engel“, Öl, 1911/12) einen ornamentalen Stil an (C. Rohrschneider). Seine Nähe zum armenischen Kulturkreis bestärkt seine Überzeugung, dass die polnische Kunst durch Traditionen der Sarmaten, östliche Kulturen und orientalische Strömungen beeinflusst sei. Während seiner Zeit in Paris beschäftigt er sich bei Besuchen im Musée Guimet, einem Museum für asiatische Künste, intensiv mit den persischen, indischen und chinesischen Kulturen sowie mit präkolumbianischer Kunst. In der Folge verbindet er in seinen Arbeiten die Einflüsse des Jugendstils mit einem dekorativen, gelegentlich erotischen Orientalismus in stark farbigen Kontrasten. Beeinflusst wird er auch durch die erotischen Szenen von Aubrey Beardsley, was sogar in religiösen Szenen aufscheint („Christus und Magdalena“, 1913), sowie aus dem Kreis der Illustratoren um das Pariser Satiremagazin L'Assiette au beurre. 1912-14 schafft er farbige Wandmalereien im Inneren der Bodenkredit-Gesellschaft/Towarzystwa Kredytowego Ziemskiego in Lemberg (heute Nationalbank), 1913 für das Forschungsinstitut für Frauen/Zakład Naukowy Żeński von Zofia Strzałkowska. Außerdem schafft er Feder- und Tuschezeichnungen, Illustrationen für Bücher, Zeitschriften, Plakate und Werbung sowie Entwürfe für Inneneinrichtungen und Damenmode. Während seines Dienstes bei den Polnischen Legionen zeichnet er Soldatenporträts sowie militärische Kampf‑ und Genreszenen, die er auch in Legionärs-Alben publiziert („Pieśń Legionisty“, Lemberg 1916). S. gilt als herausragender Vertreter der Lemberger Secession/Secesja we Lwowie. Werke befinden sich unter anderem in den Nationalmuseen von Warschau und Krakau, in der Nationalen Gemäldegalerie von Lviv, im Muzeum Historyczne in Wrocław sowie im Museum von Elbląg. Ein Ehrengrab befindet sich auf dem polnischen Friedhof der Verteidiger von Lwów/Cmentarz Obrońców Lwowa auf dem Lytschakiwski-Friedhof in Lviv.
** Die in der Literatur und im Internet gängige Verknüpfung des Sterbeorts Rohaczów mit der Stadt Rahatschou in Belarus ist falsch. *** Matrikelbuch München, 1908
Einzelausstellungen: 1913 Lemberg/Lwów (heute Lviv), Krakau, Posen (Tygodnik Ilustrowany, Nr. 44, 1913) / 1932 Lwów, Pałac Sztuki, Gesellschaft der Freunde der Schönen Künste/Towarzystwo Przyjaciół Sztuk Pięknych we Lwowie
Gruppenausstellungen: 1910 Lemberg, Pałac Sztuki: Powszechna Wystawa Sztuki Polskiej / 1916 Krakau: Legionärskunst / 1917 Warschau, Gesellschaft zur Förderung der schönen Künste/Towarzystwo Zachęty Sztuk Pięknych / 1924, 1934 Krakau, Nationalmuseum/Muzeum Narodowe: Ausstellung der Polnischen Legionen
Eigene Schriften: O koniu, Warschau 1920, Nationalbibliothek Warschau/Biblioteka Narodowa w Warszawie, https://polona.pl/item/o-koniu,NzMxMzIxODY/
Literatur: Dmitrij Szelest/Janusz Derwojed: Lwowska Galeria Obrazów. Malarstwo polskie, Warschau 1990; Halina Stępień/Maria Liczbińska: Artyści polscy w środowisku monachijskim w latach 1828-1914. Materiały źródłowe, Warschau 1994, Seite 24, 62; Jurij Biriulow: Secesja we Lwowie, Warschau 1996; Wacława Milewska/Maria Zientara: Sztuka Legionów Polskich i jej twórcy 1914-1918, Krakau 1999; Polski Słownik Biograficzny, Band 43, 2004/05; Krzysztof Stefanowicz: Rotmistrz Kajetan Stefanowicz, in: Sowiniec. Materiały historyczne i dokumenty, Nr. 34/35, 2009, Seite 81-86; C. Rohrschneider, in: De Gruyter Allgemeines Künstlerlexikon, Band 106, Berlin/Boston 2020, Seite 9
Online: Matrikeldatenbank, Matrikelbuch 3, Akademie der Bildenden Künste München, 03531 Kajetan Stefanowicz, https://matrikel.adbk.de/matrikel/mb_1884-1920/jahr_1908/matrikel-03531
Ausführlich zur künstlerischen und militärischen Karriere auf Wiki.Ormianie, http://www.wiki.ormianie.pl/index.php/Kajetan_Stefanowicz
1 Werk im Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, https://cyfrowe.mnw.art.pl/pl/katalog/523928
Werke im Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie, https://zbiory.mnk.pl/pl/wyniki-wyszukiwania?phrase=Stefanowicz,%2520Kajetan
3 Werke im Auktionshaus DESA Dzieła Sztuki i Antyki, Krakau, http://desa.art.pl/index.php?co=STEFANOWICZ%20Kajetan
2 Werke auf artyzm.com, http://artyzm.com/e_artysta.php?id=382
3 Werke auf MutualArt, https://www.mutualart.com/Artist/Kajetan-Stefanowicz/D0BCE7A974025DEE
(alle Links wurden zuletzt im Oktober 2020 aufgerufen)
Axel Feuß, Oktober 2020