Roland Schefferski, Money, Eternity, Sex, 1998
Roland Schefferski besuchte das künstlerische Gymnasium in Wrocław. Anschließend studierte er dort von 1976 bis 1981 freie Kunst an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste. 1984 siedelte er nach Berlin über, wo er seitdem lebt und arbeitet. In dieser Zeit wendete er sich der Objekt- und Installationskunst zu und arbeitet seitdem in Werkzyklen. Er interessiert sich für Spurensicherung und prozesshafte Vorgänge im öffentlichen Raum. Künstlerisch setzt er dies durch das Zusammentragen hinterlassener Gegenstände um. Seit den Neunzigerjahren arbeitet er mit historischen Alltagsrelikten wie Fotos, Möbeln, alten Zeitungsausgaben, Geldscheinen oder getragener Kleidung, die ihm nach eigener Aussage als „Auslöser für Erinnerungen und Assoziationen dienen“. Er löst Objekte aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen, indem er sie mit anderen neu arrangiert. Gelegentlich zerstört er sie partiell, indem er Teile aus ihnen herausschneidet, sie zerbricht oder mit Stickerei versieht.
Zu dieser Objektgruppe gehört die 1998 entstandene Arbeit „Money, Eternity, Sex“. Sie besteht aus einem aus Polen stammenden Dekorationstuch, einem sogenannten „Paradehandtuch“, wie es seit dem späten 19. Jahrhundert bis zum Ende der 1920er-Jahre in Küchen oder Schlafzimmern mit Sinnsprüchen bestickt aufgehängt oder auf Betten und Büfetts dekoriert wurde, und das in ähnlicher Form als volkskundliches Relikt auch in anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich vorkommt. Das verwendete polnische Tuch zeigt als typische Stickerei der Zeit einen Trompetenengel, Blütenranken und in polnischer Sprache die Worte „Glaube, Hoffnung, Liebe“ als christlich motivierte Reminiszenz an den bekannten Bibelspruch aus 1. Korinther 13:13: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (Lutherbibel, 1912) Schefferski „zerstört“ das historische Objekt, indem er in täuschend ähnlich gestalteter Stickerei die Wörter „Money, Eternity, Sex“ hinzufügt, jene „Werte“ der modernen Gesellschaft, die die überkommenen christlichen Glaubensinhalte fast vollständig ersetzt zu haben scheinen. Dass Schefferski in Deutschland ein polnisches Handtuch mit englischen Worten ergänzt, signalisiert gleichzeitig zwei Phänomene: einerseits, dass dieser Wertewandel selbst in seinem als konservativ katholisch geltenden Geburtsland stattgefunden hat, andererseits, dass derselbe Wertwandel gleichermaßen in ganz Europa zu beobachten ist. Denn für deutsche Betrachter kann die Abfolge der Worte „Wiara, Nadzieja, Miłość“ auch bei Unkenntnis der polnischen Sprache unschwer mit dem populären Spruch „Glaube, Hoffnung, Liebe“ der deutschen Sprache in Verbindung gebracht werden, da dieser auch auf ähnlichen Handtüchern der Zeit in Deutschland vorkommt. Schefferski setzt hier bereits auf Mechanismen des kulturellen Gedächtnisses in Polen ebenso wie in Deutschland, die er bis heute in Objekten, Installationen und Ausstellungen untersucht.