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Louis Lewandowski (1821–1894)

Louis Lewandowski
Louis Lewandowski, ca. 1880

Doch Lewandowskis kometenhafter Aufstieg fand ein jähes Ende: Noch vor Abschluss seines Akademiestudiums erkrankte er an einem schweren Nervenleiden, dass es ihm unmöglich machte, sein Studium zu beenden und ihn in eine tiefe Krise stürzte. Vier Jahre lang war er auf die Fürsorge seiner Schwester angewiesen und nicht in der Lage eine Tätigkeit aufzunehmen. Diese schier auswegslose Situation warf Lewandowski auf sich selbst zurück, führte ihn zu seinen Wurzeln in der jüdischen musikalischen Tradition und leitete so seine künstlerische Selbstfindung ein. In ihm reifte der Wunsch heran, beide Musikkulturen, die ihn bisher künstlerisch geprägt hatten – die traditionelle polnisch-jüdische Synagogenmusik und die klassische europäische Musikentwicklung – in einer Synthese zusammenzuführen. Der Kantor der Berliner jüdischen Gemeinde, Ascher Lion, stand jedoch allen musikalischen Neuerungen sehr ablehnend gegenüber. Seine musikalische Gestaltung des Gottesdienstes folgte noch ganz den überkommenen Prinzipien des 18. Jahrhunderts, nach denen in der Synagoge keine Instrumente zugelassen waren und allein der Gebetsgesang (Chasanut) des Vorbeters im Zentrum der musikalischen Ausgestaltung stand. Seine Gesänge wurden lediglich von einem Bass und einem Knabensopran kontrapunktisch oder melismatisch paraphrasiert. Es existierten keine schriftlichen Notationen der Gebetsgesänge, sie wurden seit Generationen mündlich weitergegeben.

Doch auch in der Berliner jüdischen Gemeinde hatten Moses Mendelssohns Gedanken zur jüdischen Aufklärung Anklang gefunden. Die Reformer sahen die Assimilation des Judentums als die notwendige Konsequenz seiner Emanzipation. Die Reformforderungen erstreckten sich auch auf die Gestaltung des Gottesdienstes, wie die Lesung der Predigt in der Landessprache und einer Annäherung der musikalischen Gestaltung an die klassische europäische Musiktradition. Als 1838 der Königsberger Kantor Hirsch Weintraub (1811–1881)[3] mit einigen Sängern ein Konzert in der jüdischen Gemeinde Berlins gab, erhielten diese Forderungen neuen Aufwind. Weintraub präsentierte neben traditionellen jüdischen Gebetsgesängen auch Werke des berühmten Wiener Kantors Salomon Sulzer (1804–1890) sowie Vokalarrangements von Streichquartetten Haydns und Mozarts. Das Konzert wurde mit Begeisterung aufgenommen und viele Gemeindemitglieder drangen nun darauf, dass auch im Gottesdienst Werke Sulzers zu hören seien, die damals als Inbegriff des modernen Zeitgeistes jüdischer liturgischer Musik galten. Nachdem 1840 Manuskripte Sulzers in Berlin eintrafen, war Kantor Lion nicht in der Lage sie mit seinen Sängern einzustudieren – da er nur mit dem Violinschlüssel vertraut war, konnte er die in vier verschiedenen Notenschlüsseln notierten Stücke nicht lesen. Lion entsann sich seines einstigen, inzwischen musikalisch bestens gebildeten „Singerls“ Lewandowski, der bereitwillig die Aufgabe übernahm Sulzers Werke in den Violinschlüssel zu transkribieren. Gleichzeitig berief ihn die jüdische Gemeinde zum Dirigenten des neu geschaffenen vierstimmigen Synagogenchores der Synagoge in der Heidereutergasse und zum Gesangslehrer und Kantorenausbilder an der jüdischen Freischule.

 

[3] Zu Hirsch Weintraub siehe Idelsohn, Jewish music, S. 266-269.

Media library
  • Anonymous: Louis Lewandowski

    Portrait in the permanent exhibition of the Jewish Museum in Berlin, oil on canvas.
  • Special stamp of the GDR Post Office

    Issue of 18 September 1990, value 30 Pfennig.
  • Kol Rinnah u-T’fillah

    Title page of the cycle of compositions for the musical organisation of the religious service.
  • Memorial plaque in Września

    Louis Lewandowski's Polish home town.
  • The grave of Louis and Helene Lewandowski

    In the row of honour of the Jewish cemetery in Berlin-Weißensee.
  • Louis Lewandowski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.