Das Lied vom „Polenmädchen“

In einem Polenstädtchen / da lebte einst ein Mädchen / das war so schön.
Sie war das allerschönste Kind / das man in Polen findt.
Aber nein, aber nein, sprach sie / ich küsse nie.[1]
Mit seiner markanten, tiefen Stimme schmettert Heino 1974 bei der ZDF-Hitparade aus Berlin das Lied vom „Polenmädchen“ in den Saal. Das Publikum klatscht begeistert. Wohl wenige wissen, dass das „Polenmädchen“ zu dieser Zeit bereits auf eine lange Geschichte zurückblickt, die über ein Jahrhundert zuvor begann und noch bis in unsere Zeit nachwirken sollte. Doch wovon handelt die Geschichte eigentlich?
Anhand des Textinhalts geht es unzweifelhaft um eine junge Frau, die von einem Mann verehrt und begehrt wird, wie sein beständiges Drängen nach einem Kuss nahelegt. Trotz aller Bemühungen verweigert sie ihrem Verehrer den Kuss. Im weiteren Verlauf wendet sich die Geschichte zum Tragischen. Schließlich findet man das „Polenmädchen“ leblos vor, je nach Textversion in einem Teich oder unter einer Eiche. Auf einem Zettel in ihrer Hand steht geschrieben: „Ich hab einmal geküsst und schwer gebüßt.“ Der Satz lässt Interpretationen zu, die einen sexuellen Übergriff mit entsprechenden Folgen nahelegen.
In den verschiedenen Versionen des Liedes wird das Mädchen als Anuschka (bei Heino) oder Maruschka (in der Version des österreichischen Schlagersängers Freddy Quinn) benannt, oft bleibt das Mädchen auch namenlos. Der Mann wird teils als „Kavalier“ bezeichnet, in anderen Versionen aber auch als Grenadier und damit als Soldat. Spätestens in der Zeit des Ersten Weltkriegs wurde „In einem Polenstädtchen“ zu einem beliebten Lied, das nicht nur in Soldatenkreisen gerne gesungen und als Marsch verwendet, sondern auch in der Bevölkerung populär wurde.
Über die Herkunft des Liedes gibt es unterschiedliche Angaben. Wo genau das Lied verfasst wurde, ist nicht überliefert. Eine ursprüngliche Version ist wohl am Ende des 18. Jahrhunderts entstanden.[2] Im Jahr 1840 schrieb es ein älterer Lehrer aus der Erinnerung und unter dem Titel „Im Dörfchen, wo ich lebte“ nieder. Das gilt als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung vom „Polenmädchen“, das seit dem Ersten Weltkrieg mit immer neuen Textvarianten überliefert wurde.[3]
[1] Eberhardt, Carolin: In einem Polenstädtchen, in: deutschland-lese.de, 15.09.2022, URL: https://www.deutschland-lese.de/streifzuege/lieder/volkslieder/in-einem-polenstaedtchen (zuletzt aufgerufen am 26.01.2025).
[2] Mang, Theo/Mang, Sunhilt: Der LiederQuell. Die schönsten Volkslieder aus Vergangenheit und Gegenwart, Eggolsheim 2014.
[3] Ebd.