Wasserschlacht

„Wasserschlacht“ vom 3. Juli 1974: Mit Hilfe von Walzen versuchen Stadionhelfer im Frankfurter Waldstadion, das bei einem heftigen Wolkenbruch überschwemmte Spielfeld vom Wasser zu befreien.
„Wasserschlacht“ vom 3. Juli 1974: Mit Hilfe von Walzen versuchen Stadionhelfer im Frankfurter Waldstadion, das bei einem heftigen Wolkenbruch überschwemmte Spielfeld vom Wasser zu befreien.

Nur einmal hat die polnische Nationalmannschaft gegen die deutsche Elf gewonnen, und zwar 2014. 1974 war sie schon mal ganz nah dran, beim Halbfinale der Weltmeisterschaft. Doch statt als erster polnischer Sieg über die deutschen Fußballer ging die Partie als die „Wasserschlacht von Frankfurt“ in die Geschichtsbücher ein.

1974 findet die Weltmeisterschaft der FIFA in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) statt. Die starke deutsche Mannschaft um ihren Kapitän Franz Beckenbauer will natürlich im eigenen Land den Titel holen. Mindestens so motiviert und vielleicht sogar mit einer besseren Mannschaft ist auch Polen vertreten. Die polnische Elf mit den Stars wie Grzegorz Lato (Torschützenkönig des Turniers), Robert Gadocha, Kazimierz Deyna, Andrzej Szarmach, Wladyslaw Żmuda und die „Raubkatze im Kasten“ Jan Tomaszewski ist die beste Mannschaft, die Polen jemals hatte. Beide Mannschaften, die deutsche und die polnische, kommen problemlos aus ihren Gruppen heraus. Nun stehen sie sich zum ersten Mal im Turnier gegenüber. Am 3. Juli 1974 spielen sie um den Einzug ins Finale.

Der Anpfiff in dem Waldstadion in Frankfurt am Main war für 17:00 geplant. Doch kurz davor kam es zu einem sintflutartigen Wolkenbruch über dem ohnehin schon nassen Fußballfeld. Der starke Regen verwandelte den Rasen in eine Seenlandschaft. Unzählige Helfer und die Feuerwehr rückten auf den Platz. Mit 2 Walzen, Schippen, Schubkarren und Pumpen ausgerüstet, konnten sie dennoch nur wenig bewirken. Nun mussten die Funktionäre entscheiden, ob das Halbfinale stattfinden kann. Der straffe Spielplan der WM und das ausverkaufte Waldstadion haben die Organisatoren dazu bewogen, den eigentlich nicht spielbaren Platz, doch noch freizugeben. Mit einer halbstündigen Verspätung wurde angepfiffen. In den nächsten 90 Minuten spielten sich Szenen ab, wie sie bis jetzt im internationalen Fußball noch nicht gesehen wurden. Die Spieler spritzen Wasser bei jedem Schritt. Sie rutschten auf dem nassen Rasen und stolperten über Matsch. Der schwere Lederfußball blieb im Wasser einfach stecken. Die polnische Mannschaft spielte zu diesem Zeitpunkt einen modernen, schnellen und breiten Fußball. Präzise Flanken von außen und blitzschnelle Reaktionen im Strafraum waren ihre Markenzeichen. Doch unter diesen Umständen fanden die Polen nicht zu ihrem Spiel. Trotz des gehaltenen Elfmeters von Jan Tomaszewski (Ulli Hoeneß vergab) war das Glück auf der deutschen Seite. In der 76. Minute schoss Gerd Müller das einzige Tor der Partie und damit auch die deutsche Mannschaft ins Finale. Der Traum von einem WM-Titel blieb mal wieder für die polnische Mannschaft unerreichbar, erfüllte sich aber für die Gastgeber. 

 

Zusatzinformationen

Kazimierz Górski war erst seit 1970 Nationaltrainer. Davor spielte die polnische Auswahl einen mäßigen Fußball. Der neue Trainer brachte ein neues System und neue junge Spieler. Im Anschluss an die Partie kommentierte Górski: „Es ist halt so, dass der gewinnt, der ein Tor mehr schießt.“ 

Jahre später erinnerte sich Franz Beckenbauer an das Spiel: „Bei normalen Verhältnissen hätten wir wahrscheinlich keine Chance gehabt.“

Bei der WM 1974 belegten die Polen den dritten Platz. Im letzten Spiel bezwangen sie die sehr gut spielenden Brasilianer. Das einzige Tor des Spiels schoss Grzegorz Lato in der 76. Minute! Polen war mit Sicherheit die Überraschungsmannschaft der WM.
Um den Sieg der Deutschen über die polnische Nationalmannschaft kreisten viele Verschwörungstheorien. So z.B. hätten die deutschen Helfer lediglich auf einer Hälfte des Feldes das Wasser abgepumpt.

Die „Wasserschlacht von Frankfurt“ wird manchmal in der Fachliteratur auch „Regenschlacht von Frankfurt“ genannt. 

Angeblich sind noch kleine Fläschchen mit dem originalen Wasser aus dem Waldstadion vom 03. Juli 1974 im Umlauf.

 

Spieler / Polen
 

Auf dem Feld

Jan TOMASZEWSKI (GK)
Antoni SZYMANOWSKI
Jerzy GORGON
Wladyslaw ŻMUDA
Adam MUSIAL
Kazimierz DEYNA (C)
Henryk KASPERCZAK (-80')
Zygmunt MASZCZYK (-80’)
Grzegorz LATO
Robert GADOCHA
Jan DOMARSKI


Auf der Reservebank

Andrzej FISCHER
Zygmunt KALINOWSKI
Zbigniew GUT
Henryk WIECZOREK
Miroslaw BULZACKI
Leslaw CMIKIEWICZ (+80')
Roman JAKOBCZAK
Andrzej SZARMACH
Zdzislaw KAPKA
Kazimierz KMIECIK (+80')
Marek KUSTO


Trainer

Kazimierz GÓRSKI (POL) 

 

Spieler / Bundesrepublik Deutschland
 

Auf dem Feld

Sepp MAIER (GK)
Berti VOGTS
Paul BREITNER
Hans Georg SCHWARZENBECK
Franz BECKENBAUER (C)
Juergen GRABOWSKI
Wolfgang OVERATH
Gerd MÜLLER
Uli HOENESS
Rainer BONHOF
Bernd HÖLZENBEIN


Auf der Reservebank

Horst-Dieter HÖTTGES
Herbert WIMMER
Bernd CULLMANN
Günter NETZER
Jupp HEYNCKES
Heinz FLOHE
Dieter HERZOG
Jupp KAPPELLMANN
Helmut KREMERS
Norbert NIGBUR
Wolfgang KLEFF


Trainer

Helmut SCHÖN (GER)

 

Adam Gusowski, Februar 2014

 

Mediathek
  • Franz Beckenbauer (r) im Spiel gegen Jan Domarski (Polen)

    Fußball-Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen Polen am 3. Juli 1974
  • Schlechte Spielbedingungen

    Der polnische Abwehrspieler Antoni Szymanowski (r) versucht den deutschen Stürmer Gerd Hölzenbein (l) in einer Pfütze zu stoppen
  • Das Wasserschlachtwasser

    Auf ein solches Fläschchen kann man heute noch auf Flohmärkten und in Internetauktionen treffen. Angeblich beinhaltet es das Wasser aus dem Stadion in Frankfurt, eingesammelt direkt nach dem Spiel Deu...
  • Wasserschlacht - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.