Władysław Kozakiewicz - ein Stabhochsprung von Polen nach Deutschland
Dass man auch in Polen die Russen nicht gerade liebte, war in den späten 70er Jahren nicht mehr zu übersehen. Umgekehrt wahrscheinlich auch nicht. Genau das bekam Władysław Kozakiewicz am eigenen Leib zu spüren, als er zu seinem Sprung anlief. Bei jedem seiner Sprünge hörte er die Pfiffe der russischen Zuschauer. Sogar als er nur noch als Einziger, die Konkurrenz weit hinter sich lassend, im Wettbewerb des Stabhochsprungs um den Rekord sprang, pfiffen sie. Er schaffte den Sprung und den neuen Weltrekord von 5,72 Metern. Vor Freude sprang Kozakiewicz auf, wandte sich den Rängen zu, schlug seine linke Hand auf den rechten Arm und ballte die rechte Hand zu einer Faust, damals wie heute ein unmissverständliches Zeichen für „Ihr könnt mich mal!“.
Wie ein Schlag ins Gesicht erreichte das Zeichen des polnischen Sportlers die sowjetischen Sportfunktionäre und Parteigenossen. Der polnische Botschafter in Moskau wurde vor die beleidigten Russen zitiert. Kozakiewicz musste Erklärungen liefern. Um sich selbst und seinen Trainer zu schützen, sagte er, so eine Geste mache er immer, wenn er einen Weltrekord springen würde. Die ironische Ausrede funktionierte.
In Polen wurde seine Geste 1980 als mutige Auflehnung gegen den Großen Bruder im Osten verstanden. Die sogenannte „Kozakiewicz-Geste“ (Gest Kozakiewicza) ist in der polnischen Kultur bis heute ein Symbol des ungehorsamen Widerstandes. Ab diesem Moment ist Władysław Kozakiewicz für die parteitreuen Sportfunktionäre unbequem. Er wird immer wieder ihrer Willkür ausgesetzt. Als er 1985 nicht mehr an ausländischen Wettbewerben teilnehmen darf, fährt er auf eigene Faust zu einem Sportmeeting nach Deutschland und kehrt nie wieder zurück.
Wegen der deutschen Abstammung seiner Frau nimmt er die deutsche Staatsangehörigkeit an. Nun startet er bei einigen Wettkämpfen für die deutsche Leichtathletiknationalmannschaft und ist 1986 bis 1988 sogar Deutscher Meister. Heute arbeitet Władysław Kozakiewicz als Sportlehrer an einer Schule bei Hannover.
Adam Gusowski, Januar 2014