Taube, Léon
Taube, Léon (Leon Taube), polnisch-jüdischer Geiger, Dirigent und Konzertagent. 1910/11 Studium in Leipzig, anschließend in Köln. Ab 1914 Dirigent und Konzertagent in Dortmund. 1922-33 gemeinsam mit seiner Frau Inhaber der Westfälischen Konzert-Direktion, 1933-38 der Konzert-Direktion L. Taube in Berlin. *13.7.1888 Łódź, †15.3.1973 Paris. Sohn des Geigers und Orchestergründers Elie (Elias, Elijahu) Taube (1863-1933) und seiner Frau Ita, geborene Krysz/Krisch (1865-1901); Bruder des Dirigenten, Pianisten und Cellisten Michael Taube (1890-1972). Als Kind hat er bei seinem Vater Geigenunterricht, besucht später das Konservatorium in Łódź und spielt in dem von seinem Vater gegründeten Orchester. 1910 geht er gemeinsam mit seinem Bruder Michael nach Leipzig und studiert dort am Königlichen Konservatorium der Musik Geige und Orchesterspiel bei dem Komponisten Hans Sitt (1850-1922), Klavier bei dem Pianisten Fritz von Bose (1865-1945) und Musiktheorie. 1911 wechselt er nach Köln und nimmt privaten Geigenunterricht bei dem Violinisten Bram Eldering (1865-1943). Ab 1914 ist er in Dortmund als Dirigent tätig und arbeitet nebenher als Konzertagent. Seine Frau Gertrud, geborene Eule (*1891 Leipzig), eröffnet 1922 die Westfälische Konzert-Direktion in der Josephstraße 3 in Dortmund, die 1928/29 auf T. umgeschrieben wird. „Die Agentur organisierte unter anderem Konzerte beziehungsweise Tourneen mit Claire Dux, Jan Kiepura, Alexander Kipnis, Fritz Kreisler, Sigrid Onégin, Heinrich Schlusnus, Marcel Wittrisch, dem Berliner Philharmonischen Orchester unter Wilhelm Furtwängler sowie dem Concertgebouworkest unter Willem Mengelberg.“ (Sophie Fetthauer) Aufgrund der beginnenden Boykotte gegen jüdische Geschäfte und Firmen übersiedelt das Ehepaar ab Mai 1933 nach Berlin und eröffnet dort die Konzert-Direktion L. Taube (siehe Titelbild). Vor allem im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds organisiert es unter anderem Konzerte für den Pianisten Bruno Eisner (1884-1978), den aus der Ukraine stammenden Opernsänger Alexander Kipnis (1891-1978) und betreut 1937 eine Tournee des Wiener Violinisten Fritz Kreisler (1875-1962) durch Polen. Ab 1933 ist T. in der Reichsmusikkammer, aus der er 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft wieder ausgeschlossen wird, als Geiger, Geigenlehrer, Leiter einer Musikkapelle, Pianist und Cellist gemeldet. Im März 1938 geht er über Großbritannien nach Paris ins Exil. Seine nicht-jüdische Ehefrau, die nicht nach Paris ausreisen darf, löst die Konzertagentur noch im selben Jahr auf und lässt sich aufgrund anhaltenden Drucks durch die Nationalsozialisten 1942 von T. scheiden. Während der deutschen Besetzung von Paris lebt T. zunächst im Versteck, geht 1942 mithilfe einer neuen Lebensgefährtin in die freie Zone nach Nizza und wird dort vorübergehend interniert. Ab 1943 lebt er im Versteck in Le Cheylard (Département Ardèche), ab Januar 1944 bis zur Befreiung Frankreichs unentdeckt bei Freunden in Paris. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet er als Klavierlehrer in Paris, heiratet 1958 Ivonne Marie, geborene Le Gall (*1897) und betreibt in Deutschland Entschädigungsverfahren.
Antisemitische Publikationen:
Brückner-Rock. Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, begründet von H. Brückner und C.M. Rock, bearbeitet und erweitert von Hans Brückner, 3. Auflage, München 1938, Seite 278 (Taube, Leon … Kapellmeister)
Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, bearbeitet von Theo Stengel und Herbert Gerigk = Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Band 2, Berlin 1940, Spalte 272 (Taube, Leon)
Literatur:
Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945, herausgegeben von Werner Röder und Herbert A. Strauss, München und andere 1983
Anna Langenbruch: Topographien musikalischen Handelns im Pariser Exil. Eine Histoire croisée des Exils deutschsprachiger Musikerinnen und Musiker in Paris 1933-1939 = Musikwissenschaftliche Publikationen, 41, Hildesheim 2014
Online:
Sophie Fetthauer: Léon Taube, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen, Universität Hamburg 2010, https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002408
(der Link wurde zuletzt im November 2019 aufgerufen)
Axel Feuß, November 2019