Eibenschütz-Wnuczek, Wilhelmine

Programm zu einem Konzert von Wilhelmina Wnuczek im Saal der Sing-Akademie zu Berlin mit dem Berliner Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Albert Eibenschütz, 1897
Programm zu einem Konzert von Wilhelmina Wnuczek im Saal der Sing-Akademie zu Berlin mit dem Berliner Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Albert Eibenschütz, 1897

Eibenschütz-Wnuczek, Wilhelmine (geborene Marya Wnuczek, Wilhelmina Marianna Wnuczek), polnisch-jüdische Pianistin und Klavierlehrerin. 1893-96 Klavierstudium am Konservatorium in Köln, seitdem in Wiesbaden, Aachen und Berlin ansässig und musikalisch tätig. *17.1.1878 Krakau, †26.6.1957 Berlin. Tochter des Kaufmanns Moritz (Majer Leib) Wnuczek (*1850) und seiner Ehefrau Rozalia, geborene Hirschmann (1859 Jarosław-1942 Berlin), Schwester der Pianistin und Klavierlehrerin Amalie Wnuczek (*20.2.1883 Krakau, am 15.8.1942 aus Berlin nach Riga deportiert, †18.8.1942 in Riga ermordet); weitere Geschwister. Erster Klavierunterricht bei dem Pianisten Bolesław Domaniewski (1857-1926) am Krakauer Konservatorium der Musikgesellschaft/Konserwatorium Towarzystwa Muzycznego. 1893-96 Klavierstudium am Konservatorium in Köln bei dem Pianisten und Komponisten Albert Maria Eibenschütz (1857 Berlin-1930 Wien), einem Schüler des Pianisten Artur Rubinstein (1887 Łódź-1982 Genf). Als Eibenschütz 1896 ans Berliner Stern‘sche Konservatorium wechselt, geht W. ebenfalls nach Berlin und studiert ab dem Wintersemester 1896/97 bei ihm. Zur selben Zeit unterrichtet sie bereits selbst am Stern’schen Konservatorium, konzertiert in Berlin und anderen deutschen Städten. 1898 heiratet sie Albert Eibenschütz. Ab 1899 lebt die Familie in Wiesbaden, wo Albert E. als Musikdirektor am Freudenberg‘schen Konservatorium arbeitet und schließlich ein eigenes Konservatorium in der Luisenstraße leitet. Dort arbeitet auch Wilhelmine E.; 1899 wird die gemeinsame Tochter Lia Mathilde, die spätere ab 1927 mit dem Schauspieler Kurt Vespermann (1887-1957) verheiratete Schauspielerin Lia Eibenschütz (1899-1985), geboren. Um 1904/05 wechselt die Familie nach Aachen, wo Wilhelmine E. am Konservatorium arbeitet und von wo aus sie weiterhin Konzertreisen unternimmt. Vermutlich 1918 geht die Familie zurück nach Berlin. Inzwischen zum evangelisch-lutherischen Glauben übergetreten, wird sie bei Machtübernahme der Nationalsozialisten in der Reichsmusikkammer als „Nichtarierin“ registriert und 1935 wieder ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkommt. Offenbar durch die Heirat mit Eibenschütz hat sie inzwischen die ungarische Staatsangehörigkeit. Beschwerden gegen den Ausschluss, erneuter Wiederaufnahmeantrag und Anträge auf „Sondergenehmigung“ zur Berufsausübung werden 1936, 1937 und 1942 abgelehnt. 1938 wird die Einhaltung des Berufsverbots in ihrer Wohnung durch einen Mitarbeiter der Reichskulturkammer kontrolliert, der gelegentliche Sing- und Spielabende auch mit „arischen“ Musikern, Klavierunterricht für ihren zwölfjährigen Enkel Gerd Vespermann und finanzielle Unterstützung durch ihren Schwiegersohn Kurt Vespermann, einen inzwischen berühmten Filmschauspieler, feststellt. Verhöre aller Beteiligten bleiben jedoch folgenlos, möglicherweise wegen der Verbindung zu Vespermann. Während ihre Schwester Amalie 1942 deportiert und ermordet wird und obwohl einschlägige nationalsozialistische Musiklexika sie verzeichnen, übersteht Wilhelmine E. die NS-Zeit offenbar unbeschadet. Auch über ihre Nachkriegsjahre ist bislang nichts bekannt. Ihre Grabstelle auf dem Berliner Luisenkirchhof II ist aufgelöst.

Antisemitische Publikationen:

Brückner-Rock. Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, begründet von H. Brückner und C.M. Rock, bearbeitet und erweitert von Hans Brückner, 3. Auflage, München 1938, Seite 69 (Eibenschütz-Wunczek [sic!] Wilhelma, Maria; Eibenschütz, Wilhelmine)

Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, bearbeitet von Theo Stengel und Herbert Gerigk = Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Band 2, Berlin 1940, Spalte 60 (Eibenschütz, Wilhelmine, geb. Wnuczek)

Literatur:

Józef Reiss: Almanach muzyczny Krakowa, Band 1, Krakau 1939

Leon Tadeusz Błaszczyk: Żydzi w kulturze muzycznej ziem polskich w XIX i XX wieku. Słownik biograficzny, Warschau 2014

Online:

Zu Amalie Wnuczek:

The Central Database of Shoah Victim’s Names, Yad Vashem, https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=Wnuczek&s_firstName=Amalie&s_place=&s_dateOfBirth=

Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden …, Bundesarchiv, https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html?result#frmResults

Zur Musikerfamilie Eibenschütz:

Christian Fastl/Monika Kornberger, Artikel „Eibenschütz, Familie‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_E/Eibenschuetz_Familie.xml

Zu Wilhelmine Eibenschütz-Wnuczek:

Sophie Fetthauer: Wilhelmine Eibenschütz-Wnuczek, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen, Universität Hamburg 2007, https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001795 (dort Quellen und weitere Literatur)

Wnuczek, Wilhelmina, auf: Wirtualny Sztetl, Muzeum Historii Żydów Polskich POLIN, https://sztetl.org.pl/pl/biogramy/4178-wnuczek-wilhelmina

(alle Links wurden zuletzt im November 2019 aufgerufen)

 

Axel Feuß, November 2019

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  • Programm zu einem Konzert von Wilhelmina Wnuczek im Saal der Sing-Akademie zu Berlin, 1897

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