Urszula Usakowska-Wolff: In vielen Sprachen und Ländern zuhause
Urszula Usakowska ging nach dem Examen nicht in den Schuldienst, sondern wandte sich dem Journalismus zu. Bei Radio Polonia, dem Auslandsdienst des polnischen Rundfunks, war sie im deutschsprachigen Programm Redakteurin für den Bereich Kultur, daneben veröffentlichte sie Kulturbeiträge in Kunstmagazinen und Übersetzungen rumänischer Lyrik in Literaturzeitschriften und Anthologien. Sie trat auch als Dichterin in Erscheinung. So erarbeitete sie sich einen tiefen und umfassenden Einblick in die polnische Kulturszene und lernte zahlreiche Persönlichkeiten aus Literatur und Kunst kennen, die sie später in Deutschland fördern konnte.
Am 13. Dezember 1981 endete ihre damalige Tätigkeit abrupt. Da Urszula Usakowska in der Solidarność-Bewegung aktiv war, wurde sie gleich zu Beginn des Kriegsrechts von der Arbeit im staatlichen Rundfunk suspendiert. Sie fand ihrer Mehrsprachigkeit wegen schnell eine neue Beschäftigung in der Industrie- und Handelskammer Interpolkom, und dann in einer österreichischen Firma, aber da ging es nicht um Kunst, sondern um Kompensationsgeschäfte mit Glühbirnen ... Dafür pendelte sie von 1984 bis 1986 zwischen Warschau und Schwaz in Tirol.
Als sie 1986 Manfred Wolff, den sie auf einer Tunesienreise kennengelernt hatte, heiratete, begann ihre Arbeit in Bad Oeynhausen, wo ihr Mann die Zivildienstschule leitete. Urszula Usakowska-Wolff merkte bald, dass das Wissen um polnische Kunst und Kultur eher dürftig war. Das stellte eine Aufgabe dar. Zuerst eröffnete sie in Herford eine Galerie mit Schwerpunkt zeitgenössische polnische Kunst, half dann Jan Hoet beim Aufbau des Herforder Kunstmuseums MARTA. Danach begann sie mit ihrer „fliegenden Galerie“. Von 1990 bis 2007 wurden über 60 Ausstellungen polnischer Künstlerinnen und Künstler in Klein- und Mittelstädte gebracht; sie fanden in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland und Berlin statt. Alle dafür notwendigen Arbeiten erledigte sie gemeinsam mit ihrem Mann: Auswahl der Künstler, Transport der Kunstwerke, Hängung, Gestaltung der Einladung, Katalog, Vernissage. Nur eine Eröffnungsansprache blieb für den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin der Stadt. Urszula Usakowska-Wolff führte zu diesem Werk nie den ambitionierten Titel einer Kuratorin, sie machte das einfach.
1996 wurde ihr und ihrem Mann das Kavalierskreuz des polnischen Verdienstordens in Anerkennung ihrer Leistung für die polnische Kultur in Deutschland verliehen, nachdem beide vorher schon den Pegasus-Preis der Warschauer Akademie der Künste bekommen hatten.
Seit 2006 lebt und arbeitet Urszula Usakowska-Wolff als freiberufliche mehrsprachige Journalistin und Autorin in Berlin. Die Vielzahl kultureller Events in Museen, Galerien und Theatern gibt ihr reichlich Stoff für Berichte in verschiedenen Internetmedien, auch in Polen ist sie dazu zu lesen. Neben ihrer Tätigkeit als Kunstpublizistin wirkt sie auch als Lyrikerin (Gedichtband „Perverse Verse“), Übersetzerin von polnischer, deutscher und sorbischer Literatur, Poesie ebenso wie von Sachbüchern. „Sprache ist ein geeignetes Medium, um Bilder zu verbalisieren und Worte zu visualisieren. Ich versuche, Worte für Bilder zu finden, damit sich aus den Worten Bilder entwickeln können. Dabei achte ich auf die Melodie der Sprache, denn sie ist auch eine Art Musik“, sagt sie.
Kaspar Koch, März 2021