Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern. Radziwiłł: 1828 Stefania Radziwiłł

Franz Krüger (1797-1857): Ludwig Adolf Friedrich Fürst zu Sayn-Wittgenstein, 1836. Öl auf Leinwand, 39,4 x 30 cm, im Auktionshandel (Koller Auktionen, Zürich, 2008, nach Familienbesitz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg; Sotheby's Amsterdam, 2001)
Franz Krüger (1797-1857): Ludwig Adolf Friedrich Fürst zu Sayn-Wittgenstein, 1836. Öl auf Leinwand, 39,4 x 30 cm, im Auktionshandel (Koller Auktionen, Zürich, 2008, nach Familienbesitz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg; Sotheby's Amsterdam, 2001)

Ludwig Adolf Friedrich zu Sayn-Wittgenstein wird am 8. Juni 1799 in Kaunas in Litauen geboren. Von 1808 bis 1815 besucht er in St. Petersburg die Deutsche Hauptschule St. Peter (Petrischule), absolviert anschließend das Pagenkorps, eine Militärakademie für Söhne des Adels, wird Regimentsadjutant und schließlich 1820 Flügeladjutant von Zar Alexander I. 1821 begleitet er den Zaren auf den Laibacher Kongress und vertritt diesen im selben Jahr in England bei der Krönung König Georgs IV. Unter Zar Nikolaus I. wird er zuerst Flügeladjutant und schließlich Geschwaderkommandant. Als er 1826 beschuldigt wird, zu den Geheimbünden der Dekabristen gehört zu haben, endet seine militärische Karriere. Wegen der Verdienste seines Vaters wird er jedoch begnadigt und schließlich im Rang eines Obersten aus dem Militärdienst entlassen. Am 14. Juni 1828 heiraten er und Stefania Radziwiłł in der Großen Kirche des Winterpalais in St. Petersburg. Stefania bringt mit 1,2 Millionen Hektar an Ländereien in Litauen und Weißrussland (ohne das von Anton Heinrich Radziwill verwaltete Familienfideikommiss) das größte private Grundvermögen Europas mit in die Ehe. Allerdings ziehen sich Erbstreitigkeiten aufgrund der komplizierten Familiengeschichte, der Grundschulden und der Verbindlichkeiten des verstorbenen Vaters bis nach ihrem Tod hin, sodass letztlich Ludwig zu Sayn-Wittgenstein und die gemeinsamen Kinder in den Besitz des Erbes gelangen werden.

1829 wird die Tochter Maria (1829-1897) geboren, die 1847 Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 1894-1900 deutscher Reichskanzler, heiraten wird. Nach ihrer Geburt gehen Ludwig und Stefania ins Ausland und leben fortan in Florenz, wo 1831 ihr Sohn Peter Dominikus Ludwig/Pjotr Lwowitsch Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Ludwigsburg (1831-1887) geboren wird, der es in der russischen Armee zum Generalleutnant bringen, die St. Petersburger Schauspielerin Rosalia Leon (1832-1886) heiraten und kinderlos bleiben wird. Als Stefania noch im selben Jahr an Tuberkulose erkrankt, geht die Familie für ihre Behandlung nach Bad Ems, wo Stefania Radziwiłł, Gräfin Wittgenstein am 26. Juli 1832 stirbt. Ihr zu Ehren lässt Ludwig auf seinen Besitzungen im Dorf Druschnoselje bei St. Petersburg eine Kapelle errichten (Bild unten), unter der Stefania beigesetzt wird und die später als Familiengruft der Familie Wittgenstein dient.

Ludwig zu Sayn-Wittgenstein pflegt nach dem Tod seiner Frau skandalträchtige Beziehungen, die die Zarin Alexandra Fjodorowna (Prinzessin Charlotte von Preußen, 1798-1860) beendet, indem sie ihm die Heirat mit seiner am Petersburger Hof lebenden Cousine 1. Grades, Leonilla Iwanowna Barjatinskaja (1816-1918) vermittelt. Sie ist die Enkelin einer Fürstin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck, des deutschen Diplomaten Christoph von Keller und dessen Ehefrau, Amalie Louise zu Sayn-Wittgenstein-Ludwigsburg. Die Hochzeit findet im Oktober 1834 in der Großen Kirche des Winterpalastes in Anwesenheit der Zarenfamilie statt. Ludwig kümmert sich in der Folgezeit vor allem um die rechtlichen Auseinandersetzungen, die das immense Erbe seiner ersten Frau betreffen. Nach dem Erwerb des ehemaligen Bischofspalastes im litauischen Werki/Verkiai 1839 leben die Eheleute dort. Der mit zahlreichen Umbauten neu gestaltete Palast wird mit Objekten aus dem Erbe von Stefania Radziwiłł ausgestattet. Darunter befinden sich die historische Waffenkammer aus Schloss Nieśwież, zweihundert Gemälde alter Meister sowie eine Galerie von Porträts der Familie Radziwiłł. Das Ehepaar hat vier Kinder.

Mitte der 1840er-Jahre geht die Familie nach Paris. 1848 erhält Ludwig vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Stammburg in Sayn bei Koblenz am Rand des Westerwalds mit dem zugehörigen Rittergut als Geschenk und verleiht ihm dazu den Titel eines Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-Sayn. Ludwig und Leonilla lassen unterhalb der Burg das ehemalige Barockschloss der Grafen von Boos-Waldeck in neugotischem Stil umbauen und siedeln sich dort an. Darüber hinaus besitzen die Eheleute Stadtpalais in Berlin, Paris und Rom. Nach Ausbruch eines Nervenleidens, das in Cannes behandelt wird, stirbt Ludwig Adolf Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn dort am 8. Juni 1866. Leonilla Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, die sich nach dem Tod ihres Mannes wohltätig und mäzenatisch engagiert, stirbt am 1. Februar 1918 mit 101 Jahren in ihrer Villa in Lausanne am Genfer See.

 

Axel Feuß, Februar 2022

 

Literatur:

Magdalena Jastrzębska: Księżna Dominikowa. Opowieść o Teofili z Morawskich Radziwiłłowej, Łomianki 2014

Izabela Szymańska: Dominik Radziwiłł. Pierwszy kawaler Rzeczypospolitej, in: Rocznik Zabłudowski, Band 4, Białystok 2010, Seite 5-23

Ludwig Tavernier: Das Fürstliche Haus Sayn-Wittgenstein-Sayn (Deutsche Fürstenhäuser, 6), Werl 2002

 

Online:

Familiengeschichte der Fürsten Sayn, auf: Schloss Sayn, https://www.sayn.de/fuerstenhaus/geschichtehistory

Zur Genealogie auf Sejm Wielki, Dominik Hieronim Radziwiłł: http://www.sejm-wielki.pl/b/4.333.4, Teofila Morawska: http://www.sejm-wielki.pl/b/3.787.8, Stefania Radziwiłł: http://www.sejm-wielki.pl/b/dw.16956, Ludwik Sayn-Wittgenstein: http://www.sejm-wielki.pl/b/dw.16958

Waldemar Karczmarczyk: Radziwiłł Dominik, auf: Napoleon.org.pl, https://napoleon.org.pl/index.php/biografie/polacy-cesarza/77-dominik-radziwill-1786-1813

Katarzyna Król: Niepokorna księżna. Teofila z Morawskich Radziwiłłowa (1791-1828), auf: Pasaż Wiedzy. Muzeum Pałacu Króla Jana III w Wilanowie, https://www.wilanow-palac.pl/niepokorna_ksiezna_teofila_z_morawskich_radziwillowa_1791_1828.html

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Mediathek
  • Schloss Radziwiłł, Nieśwież (heute Njaswisch, Belarus)

    Errichtet nach Zerstörungen im Jahre 1706 auf den Mauern einer Burganlage der Zeit nach 1586
  • Grabkirche der Familie Radziwiłł, Nieśwież (heute Njaswisch, Belarus)

    Errichtet 1587-1603, mit 72 Särgen von Mitgliedern der Familie
  • Anonym: Dominykas Radvila/Dominik Hieronim Radziwiłł, 1. Viertel 19. Jahrhundert

    Öl auf Leinwand, 64 x 53 cm, Inv. Nr. LNDM T 289, Lietuvos nacionalinis dailės muziejus/Litauisches nationales Kunstmuseum
  • Anonym: Bildnis Dominik Radziwiłł, 1. Hälfte 19. Jahrhundert

    Öl auf Leinwand, 63,7 x 49,2 cm, im Auktionshandel (Agra Art, Warschau, 2009)
  • Franz Xaver/Franciszek Ksawery Lampi (1782-1852): Portret Teofili z Morawskich Radziwiłłowej z synkiem Aleksandrem Dominikiem lub córeczką Stefanią/Teofila Radziwiłł, geb. Morawska, mit ihrem Sohn Aleksander Dominik oder ihrer Tochter Stefania, 1808/10

    Öl auf Leinwand, 78,5 x 62 cm, Inv. Nr. MP 1008 MNW, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie
  • Druschnoselje, Gruftkapelle für Stefania Radziwiłł Gräfin Wittgenstein (2014)

    Errichtet 1834 von dem Architekten Alexander Pawlowitsch Brjullow (1798-1877)