Polonia Dortmund
Die Saison 2011/12 ist für den BVB perfekt gelaufen. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte schafft der Fußballverein Borussia Dortmund das Double. Die Borussen gewinnen die deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal. An diesem Erfolg sind die drei polnischen Nationalspieler Jakub Błaszczykowski, Łukasz Piszczek und Robert Lewandowski maßgeblich beteiligt. „Kuba“, „Pischu“ und „Lewy“, trugen auch dazu bei, dass so mancher Fan schmunzelnd „Polonia Dortmund“ sagt, wenn er den BVB meint. Im Frühjahr 2012 betitelten sogar mehrere deutsche Zeitungen begeistert ihre Sportseiten mit „Polonia Dortmund“, als sich die spielerische Stärke der polnischen Spieler für den BVB offenbarte, darunter die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, die Welt und die WAZ. Sie gaben dem Begriff so eine positive Bedeutung, die bis dahin einzigartig war.
Kurze Vorgeschichte: Der Verein „Borussia Dortmund“ geht aus der Jugendorganisation der Gemeinde „Dreifaltigkeit“ im Dortmunder Nordosten hervor. Dort trafen sich auch junge Stahlarbeiter und Bergleute, die weniger mit der Kirche, dafür umso mehr mit dem Sport zu tun hatten – zuerst mit Leichtathletik und Turnen, später aber vor allem mit Fußball spielen auf den Wiesen rund um den Dortmunder Borsigplatz.
Dem Kaplan Hubert Dewald war das ein Dorn im Auge. Die „jungen Wilden“ gingen nämlich nach dem Sport lieber direkt ins Wirtshaus „Zum Wildschutz“, um über Gott und die Welt zu sinnieren, statt in das Gemeindehaus zu kommen.
Da halfen weder Bitten noch Rügen, noch zusätzliche Messen zu Spielzeiten. Die Jungs spielten immer noch Fußball. So kam es, wie es kommen musste. Während Kaplan Dewald vor der geschlossenen Tür der Kneipe „Zum Wildschutz“ tobte, gründeten die ungehorsamen Sportler am 19. Dezember 1909 im Hinterzimmer der Kneipe den Verein „Borussia Dortmund“ (lat. Borussia bedeutet Preußen).
Hundert Jahre später wurde ein neues Kapitel der BVB-Geschichte geschrieben, diesmal nicht mit einem preußischen, sondern einem polnischen Akzent. Die Fans und die Presse waren sich einig, die polnischen Spieler des BVB machen aus dem Verein in der Saison 2011/12 einen Überflieger der Bundesliga. So verwunderte es auch nicht, dass die neue „Polenbegeisterung“ auch vor dem BVB-Trainer Jürgen Klopp nicht Halt machte. „Sie waren in den letzten Wochen schon gut drauf. Sie treiben es auf die Spitze. Die Effektivität ist nah bei hundert Prozent. Ich stehe auf solche Spieler“, kommentierte Jürgen Klopp die kongeniale Spielweise des polnischen Trios direkt nach dem 3:1-Sieg des BVB über Hannover 96 am 26.02.2012. Auch ihre deutschen Mitspieler waren glücklich: „Wir sind froh, dass wir die besten polnischen Nationalspieler in der Mannschaft haben“, sagte der BVB-Verteidiger Mats Hummels nach dem besagten Spiel.
Nach dem Schlusspfiff der Begegnung mit Hannover 96 hielten Robert Lewandowski, Łukasz Piszczek und Jakub Błaszczykowski eine DVD in den Händen. „Polonia Dortmund“ stand auf der Scheibe, die ihnen ein Mitarbeiter des Vereins zur Vorbereitung auf das nächste Spiel ausgehändigt hatte. Die Welle der Begeisterung für das polnische Trio erreichte so alle Beteiligten des Vereins, sowohl die Spieler als auch die Fans und auch die Vereinsfunktionäre. Damit war der Imagewandel vom preußischen “Borussia Dortmund” zur polnischen „Polonia Dortmund“ vollzogen.
Sechs Wochen später fuhr am Sonntag, dem 13. Mai 2012, der Autokorso des BVB los, und zwar genau vom Borsigplatz aus, der Geburtsstätte des Dortmunder Fußballs. Auf dem gelb-schwarzen Lastwagen wurden die Meisterschale und der DFB-Pokal auch von dem polnischen Trio gehalten – Polonia Dortmund.
Adam Gusowski, Dezember 2013