Polonicus – der europäische Polonia-Preis

Polonicus – der europäische Polonia-Preis
Jaro Schlesiona, Polonicus, digitale Grafik

Die Geschichte der polnischen Emigration reicht Jahrhunderte zurück. Heute leben 18 bis 20 Millionen Polen und Menschen polnischer Herkunft außerhalb ihres Heimatlandes, rund zwei Millionen allein in Deutschland. In manchen Ländern wird zwar der „Pole des Jahres“ gekürt, doch bis 2009, dem Jahr der ersten Vergabe des Polonicus-Preises in Aachen, gab es keinen Preis, den Auslandspolen für Auslandspolen gestiftet hätten.

Der Polonicus-Preis wird von der europäischen Polonia[1] verliehen, die durch das gleichnamige Institut und von einer Jury vertreten wird, die aus dem Vorsitzenden des Instituts Polonicus, einem Mitglied des Senats der Republik Polen und Vertretern polnischer Organisationen im Ausland besteht, die dem Europäischen Verband Polnischer Gemeinschaften (Europejska Unia Wspólnot Polonijnych, kurz: EUWP) angehören. Preisträger können Menschen sein, die in der Europäischen Union leben oder arbeiten und Bürger eines Mitgliedstaats der EU sind. Die Jury verleiht ihre Auszeichnung jedes Jahr in folgenden Kategorien: Kultur – an Kulturschaffende oder andere Personen, die sich für die polnische oder die europäische Kultur einsetzen; Polnische Organisationen; Deutsch-polnischer Dialog – an Personen, die zur Entwicklung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit und des deutsch-polnischen Dialogs sowie zur Verständigung beider Nationen beitragen. Außerdem gibt es noch die Kategorie des Ehrenpreises, der sporadisch Lebenswerke würdigt. Die Empfänger der Auszeichnungen werden im Februar bekannt gegeben. Die feierliche Verleihung findet dann Ende April bzw. Anfang Mai an einem außergewöhnlichen Ort in der Stadt Karls des Großen statt: im Krönungssaal des Aachener Rathauses, der seit 790 Jahren die Macht des Heiligen Römischen Reiches repräsentiert, da hier 30 Herrscher des Imperiums ihre Insignien empfingen. Die Ehrenschirmherrschaft für den Polonicus-Preis übernahm zunächst der Botschafter der Republik Polen, Dr. Marek Prawda. Später folgte ihm der Marschall des Sejms, Bogdan Borusewicz, in dieser Funktion nach. Darüber hinaus wird die Auszeichnung von Anfang an von der erfahrenen und engagierten Senatorin der Republik Polen, Frau Barbara Borys-Damięcka, mitgetragen.

Seither haben bereits 44 herausragende Persönlichkeiten des politischen, sozialen und kulturellen Lebens in Polen, Deutschland und in Europa diesen außergewöhnlichen europäischen Preis erhalten. 2014 haben die Auslandspolen aus Westeuropa, die stets auch an die Auslandspolen in Osteuropa denken, den Polonicus-Preis an Frau Andżelika Borys verliehen, die Vorsitzende des Bundes des Polen in Belarus, eines Landes, das gegenwärtig um die Wiedereinführung demokratischer Wahlen kämpft. Unter den bisherigen Preisträgern finden sich Europäer aus Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien. Als der britischer Historiker Professor Norman Davies, dessen Arbeitsschwerpunkt auf der Geschichte Polens liegt, den Preis 2011 entgegennahm, hob er hervor, dass Kopernikus ein bedeutender Wissenschaftler gewesen sei, der sowohl Deutscher als auch Pole war. Zum Schluss seiner Rede sagte er: „Die Polen sollten stolz auf ihr nationales Erbe sein. Die Deutschen sollten stolz darauf sein, dass so viele Polen ihr Land gewählt haben, um hier zu leben und zu arbeiten. Ich bin stolz darauf, dass ich ab heute ein Polonicus bin.”

 

[1] Polonia ist ein Sammelwort für Polen und aus Polen stammende Menschen, die auf der ganzen Welt in der Diaspora leben. (Anm. der Übers.)

Zum Kreis der deutschen Preisträger gehören viele herausragende Politiker, die sich für die Vertiefung der deutsch-polnischen Verständigung eingesetzt haben. Unter ihnen befinden sich Frau Dr. Angelica Schwall-Düren, die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen; Frau Professor Dr. Rita Süssmuth, Präsidentin des deutschen Bundestages a.D.; Frau Professor Dr. Gesine Schwann, die ehemalige Rektorin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder und Polen-Beauftragte der Bundesregierung; Thorsten Klute, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; Marcel Philipp, der Bürgermeister der Stadt Aachen und Olaf Müller, der Leiter des Kulturamts der Stadt Aachen, der die Preisverleihungsgalla seit 2009 tatkräftig im Vorfeld unterstützt.

Unter den polnischen Polonicus-Preisträgern finden sich ebenfalls namhafte Europapolitiker wie der Historiker und Publizist Professor Władysław Bartoszewski, der „uns die Augen für Europa öffnete. Ohne Ihn wäre vieles von dem, was in deutsch-polnischen Beziehungen geschieht, nicht möglich oder gar nicht vorhanden”, wie Dr. Marek Prawda, der ehemalige Botschafter der Republik Polen in Deutschland und zurzeit Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Warszawa (Warschau), in seiner Laudatio unterstrich, aber auch Donald Tusk, der ehemalige Ministerpräsident der Republik Polen und Präsident des Europäischen Rats sowie Professor Jerzy Buzek, der von 2010 bis 2012 Präsident des Europäischen Parlaments gewesen ist, der in seiner Dankesrede über seinen Enthusiasmus für Europa sagte: „Das wichtigste auf der Welt ist, dass wir in der Lage sind, uns zu vereinen. Wir bauen eine europäische Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass wir in 23 Sprachen sprechen. Wir schätzen die Mehrsprachigkeit, wir schätzen die Buntheit, wir wollen uns in Vielfalt vereinen. Die Polonia spielt dabei eine sehr große Rolle, denn sie ist in der gesamten Europäischen Union vertreten. Polonia vereint, sie ist in der Lage, gemeinsam zu handeln. Das heißt, dass das ‚gelobte Land‘, von dem die Polen träumten, für uns jetzt überall ist, überall in Europa, dass die Träume von einem Leben in Freiheit sich erfüllen. Das waren die Träume der Solidarność”.

Zu den in Aachen Geehrten gehört auch der Träger des Friedensnobelpreises Lech Wałęsa, der frühere Gewerkschaftsaktivist und Präsident der Republik Polen, der schon 2017 im Krönungssaal des Aachener Rathauses appellierte: „Deutschland ist die größte Macht in Europa und ich möchte, dass es die Verantwortung für Europa übernimmt und wenn jemand, Polen, Ungarn oder sonst jemand, die Union zerschlägt, dass Ihr, als führende Kraft, fertige Lösungen parat habt und fünf Minuten nach dem Ende der Union eine neue gründet.” Den Polonicus-Preis erhielten aber auch Vertreter der Kirche wie Erzbischof Professor Alfons Nossol und Pfarrer Stanisław Budyn, der Rektor der Polnischen Katholischen Mission (Polska Misja Katolicka) in Deutschland, sowie Sprachwissenschaftler wie Professor Władysław Miodunka von der Jagiellonen-Universität in Kraków (Krakau) und Professor Jan Miodek von der Universität in Wrocław (Breslau).

Des Weiteren gehören herausragende Kulturschaffende wie Krystyna Janda, die erste Dame des polnischen Theaters und Films, Andrzej Wajda, als Regisseur und Oskar-Preisträger für sein Lebenswerk sowie Agnieszka Holland, die Regisseurin und Gewinnerin des Silbernen Bären der Berlinale, der Polonicus-Familie an. Die Auszeichnung wurde seinerzeit in ihrem Namen von ihrer Tochter Kasia Adamik in Aachen entgegengenommen. Sie las damals einen Brief der ausgezeichneten polnischen Künstlerin vor, in dem es hieß: „Die polnische Kultur verdankt ihre Größe der Vielfalt, der Offenheit, dem Streben nach Wahrheit, nach Gerechtigkeit und schließlich nach Freiheit. Kultur ist immer kontrovers, lebendig, kreativ und frei von politischen und parteilichen Pressionen.”

Wiesław Lewicki, der Direktor des Europäischen Instituts für Kultur und Medien Polonicus VoG (Europejski Instytut Kultury i Mediów Polonicus VoG) und Spiritus Movens des Polonicus-Preises, der das einzigartige Ereignis in den letzten elf Jahren gestaltet hat, ist jedes Jahr darum bemüht, die feierliche Preisgala mit dem Internationalen Tag der Polonia, der jedes Jahr am 2. Mai in Polen begangen wird, in Beziehung zu setzen. Bei alledem aber ist nicht nur die Zeit der Polonicus-Feierlichkeiten speziell, sondern auch der Ort , an dem sie begangen werden, und zwar die im Dreiländereck Deutschland, Holland und Belgien gelegene Stadt Aachen, die um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert der Sitz Kaiser Karls des Großen war und bis heute als Hort der europäischen Einigung gilt. Der Krönungssaal im Aachener Rathaus ist für Polen aber auch deswegen legendär, weil hier Papst Johannes Paul II., Bronisław Geremek und Donald Tusk mit dem ebenfalls jährlich verliehenen Internationalen Karlspreis für besondere Verdienste um den Frieden und die Einigkeit in Europa ausgezeichnet wurden. Heute ist der Polonicus-Preis eine renommierte Geste der europäischen Polonia, die dem europäische Dialog, dem Einigungsprozess und den Leistungen von Polen in der Welt gewidmet ist. Er hat seinen festen Platz im Kalender wichtiger Ereignisse in Europa gefunden. Dabei wird der Polonicus-Preis von Polen im In- und Ausland gebraucht, um uns selbst gebührend wertzuschätzen, wo auch immer wir leben.

 

Agata Lewandowski, August 2020

 

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