Aleksander Gierymski
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Drei Jahre nach seinem Bruder Maksymilian[1] wurde Aleksander Gierymski am 30. Januar 1850 in Warschau geboren. Der Vater Józef Gierymski (1800-1875) arbeitete in der Gebäudeverwaltung des Militärs und war Leiter des Militärhospitals in Ujazdów. Anders als sein Bruder, der zuvor technische Fächer studiert und am Januaraufstand 1863 teilgenommen hatte, konnte Aleksander unmittelbar seinen künstlerischen Neigungen und Fähigkeiten nachgehen. Zunächst nahm er - wie zuvor sein Bruder - 1867 für einige Monate Zeichenunterricht bei Rafał Hadziewicz (1803-1883) in der Warschauer Zeichenklasse (Klasa Rysunkowa), die man 1865 eingerichtet hatte, weil die Schule der Schönen Künste (Szkoła Sztuk Pięknych) wegen der Beteiligung der Studenten am Januaraufstand 1863/64 geschlossen worden war. 1868 folgte er seinem Bruder nach München und trat auch dort in dessen Fußstapfen: Er immatrikulierte sich an der Akademie der Bildenden Künste in der Antikenklasse von Alexander Strähuber (1814-1882), um seine Zeichenfertigkeit zu verbessern, und studierte dann bei dem Historienmaler Hermann Anschütz (1802-1880).
Anders als Maksymilian, der sich anschließend an der privaten Malschule von Franz Adam (1815-1886) zum Schlachten- und Pferdemaler ausbilden ließ, blieb Aleksander jedoch an der Münchner Akademie. Er besuchte Kurse bei dem Historienmaler Johann Georg Hiltensperger (1806-1890), der durch Wandbilder in der Münchner Residenz und in den Hofgartenarkaden berühmt geworden war, und wechselte 1870 in die Meisterklasse von Carl von Piloty (1826-1886). Unter Piloty, seit 1856 Professor an der Akademie, war die Kunstschule zu einem wichtigen Zentrum der realistischen Historienmalerei geworden. Bei ihm hatte seit 1863 Józef Brandt (1841-1915), der bedeutendste polnische Maler in München, studiert.[2] 1871 reiste Aleksander zusammen mit seinem Bruder nach Venedig und Verona. 1872 wählte er zusammen mit zwei anderen hoch bewerteten polnischen Malern, Władisław Czachórsky und Maurycy Gottlieb, für das Diplom bei Piloty ein gemeinsames literarisches Thema, ein Motiv aus Shakespeares Kaufmann von Venedig, und erhielt den Preis für die beste Komposition. Im darauffolgenden Jahr malte er die Gerichtsszene zu Shakespeares Komödie, die er auf der Wiener Weltausstellung 1873 im Rahmen der deutschen Kunstabteilung zeigte.[3] Dort waren neben seinem Bruder Maksymilian fünf weitere polnische Künstler beteiligt.
Nachdem Maksymilian 1872 an Tuberkulose erkrankt war und Kuraufenthalte in Meran und Bad Reichenhall keinen Erfolg gezeigt hatten, begleitete Aleksander seinen Bruder im folgenden Jahr nach Rom, da man in das dortige Klima Hoffnung auf Heilung setzte. Während Maksymilian 1874 in Rom sein letztes Gemälde, eine Parforcejagd in Kostümen des 18. Jahrhunderts, vollendete, wählte Aleksander Genremotive aus römischen Tavernen wie das Moraspiel (Abb. 2). Sie sind akademisch perfekt ausgeführt, zeigen eine ausgewogene Farbgebung und ein besonderes Interesse für die Führung des Lichts, wurden jedoch von der zeitgenössischen polnischen Kritik wegen ihres trivialen Charakters getadelt. Im Sommer 1874 reiste Maksymilian, vermutlich von seinem Bruder begleitet, nach München um Ärzte aufzusuchen und anschließend zur Kur nach Bad Reichenhall, wo er im September verstarb. Aleksander ging zurück nach Rom, wo er bis 1879 lebte und arbeitete. Um der Kritik an seinen volksnahen Motiven zu begegnen, malte er in dieser Zeit eine Italienische Siesta[4] mit römischen Patriziern in Renaissance-Kostümen, die von Meistern der italienischen Hochrenaissance wie Tizian und Tintoretto inspiriert war.
[1] Vergleiche die Online-Ausstellung zu Maksymilian Gierymski auf dieser Webseite (http://porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/maksymilian-gierymski)
[2] Vergleiche die Online-Ausstellung Polnische Künstler in München 1828-1914 auf dieser Webseite (http://porta-polonica.de/de/node/234)
[3] Welt-Ausstellung 1873 in Wien. Officieller Kunst-Catalog, Wien 1873, Nr. 407 (http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/digilit.html)
[4] Siesta włoska II, um 1875, Öl auf Leinwand, 141 x 91 cm, Nationalmuseum Warschau (http://cyfrowe.mnw.art.pl)