Polnische Künstler:innen in München 1828–1914
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Polenkolonie in München - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
1828 verzeichnet das Matrikelbuch der Königlichen Akademie der bildenden Künste in München mit dem Bildhauer Karol Ceptowski (1801-1847) aus Posen/Poznań den ersten polnischen Künstler, 1832 mit dem Litauer Jan Baniewicz den ersten Maler polnischer Herkunft.[1] Vor allem nach dem Novemberaufstand 1830/31 und dem Januaraufstand 1863/64 gegen die russische Herrschaft war die Bevölkerung Kongresspolens massiven Einschränkungen der Bürgerrechte ausgesetzt. Repressionen gegen alle polnischen Institutionen durch die Teilungsmächte, Einschränkungen des öffentlichen Schulwesens und der Hochschulen sowie die politische Zensur von literarischen Texten und Kunstwerken führten dazu, dass junge Polen ein Studium im Ausland aufnahmen, wo sie auch politisches Asyl fanden.
Bis 1862 waren es allerdings jährlich nur ein bis drei, 1842 sechs Studenten pro Jahr, die ein Kunststudium an der Münchner Akademie begannen. Sie kamen aus den russischen und österreichischen Teilungsgebieten. Nachdem Studenten der Warschauer Schule der Schönen Künste am Januaraufstand 1863 teilgenommen hatten, wurde die Schule im darauffolgenden Jahr geschlossen. Bereits 1863 erreichte die Zahl der Neueinschreibungen von Polen an der Münchner Akademie einen Höchststand von zehn Studenten. Unter ihnen war auch Józef Brandt (1841-1915, Abb. 1), der zuvor in Warschau studiert hatte und jetzt sein Studium bei dem wichtigsten Vertreter der Historienmalerei, Carl von Piloty, aufnahm. Drei Jahre später leitete er schon sein eigenes Atelier, zog eine große Zahl vor allem polnischer Studenten an und wurde 1878 zum Honorarprofessor ernannt. Einige der Aufständischen von 1863 gingen erst in späteren Jahren nach München wie Maksymilian Gierymski (1867), Ludomir Benedyktowicz (1868), Adam Chmielowski (1870) und Antoni Kozakiewicz (1871).
Attraktiv war München für die polnischen Studenten, weil die Hauptstadt des Königreichs Bayern durch die 1836 und 1853 eröffneten Pinakotheken und durch private Galerien wie die 1862 eröffnete Galerie des Grafen Schack eines der führenden Kunstzentren Europas war und über einen regen Kunsthandel verfügte. Die Lebensbedingungen galten als günstig, die Bevölkerung als tolerant gegenüber Ausländern. Entscheidend waren jedoch der Bekanntheitsgrad und die künstlerische Ausstrahlung der an der Akademie lehrenden Professoren. Bis 1840 dominierte dort die Künstlergruppe der Nazarener mit Julius Schnorr von Carolsfeld, Heinrich Hess und dem Direktor der Schule, Peter Cornelius. Ihr künstlerisches Programm einer religiösen und moralischen Erneuerung und die angestrebte Wiedergeburt einer nationalen Kunst stimmten in vielerlei Hinsicht mit den Ideen der polnischen Romantik überein.[2]
Bei ihnen studierte der Warschauer Maler Aleksander Lesser (1814-1884, Abb. 2), der sich 1835 immatrikulierte und nach seinem Studium von 1840 bis 1846 in München ein eigenes Atelier unterhielt. Lesser und der aus Minsk stammende Tytus Byczkowski, seit 1837 Student der Akademie, waren die ersten polnischen Maler, die in den 1823 gegründeten Münchner Kunstverein aufgenommen wurden. Ein großer Teil der polnischen Kunstschüler wurde bald nach ihrer Ankunft in München und der Aufnahme des Studiums auch Mitglied dieses aus Künstlern und Kunstfreunden bestehenden Vereins. Mit der Teilnahme an dessen Ausstellungen, den von ihm organisierten Ankäufen und Verlosungen von Kunstwerken begannen sie ihre Laufbahn als freiberufliche Künstler im Kunstbetrieb der Stadt. Bis 1914 waren 150 polnische Künstler Mitglied des Münchner Kunstvereins. Neben Lesser und Byczkowski traten in dieser frühen Zeit auch siebzehn polnische Kunstfreunde dem Verein bei, meist Aristokraten, die als auswärtige Mitglieder gar nicht in München wohnten,[3] unter ihnen Graf Athanasius Raczynski, Autor der dreibändigen Abhandlung Histoire de l'art moderne Allemagne (1836-41) und Mäzen von Overbeck und Cornelius, der Overbeck einen Teil des 1842-44 in Berlin errichteten Palais Raczynski überließ. Ceptowski wurde unter Leo von Klenze an den Bildhauerarbeiten in der Münchner Residenz beteiligt, Byczkowski nahm als Freskomaler an der Ausgestaltung der Ludwigskirche teil. Enge Beziehungen zu den Nazarenern pflegten auch Korneli Szlegel (1819-1870) aus Lemberg/Lwów, der ab 1842 in München studierte, und der Warschauer Józef Simmler (1823-1868, Abb. 3), zuvor Schüler von Eduard Bendemann an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, der nach seinem Studium in München (ab 1841) und Paris in Warschau ein angesehener Maler realistisch aufgefasster religiöser und historischer Szenen und Porträts wurde.
[1] Listen der in das Matrikelbuch der Münchner Kunstakademie eigetragenen polnischen Studenten, der Studenten an Münchner Privatschulen und der polnischen Mitglieder des Münchner Kunstvereins finden sich bei Halina Stępień/Maria Liczbińska 1994, Seite 3-90
[2] Konstantynów 2011, Seite 463
[3] Ste̜pień 1990, Seite 165