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Das DP-Lager Eschwege

David Ben-Gurion-Denkmal am ehem. UNRRA-Lager in Eschwege, 2011
David Ben-Gurion-Denkmal am ehem. UNRRA-Lager in Eschwege, 2011

Wie andere DP-Lager, die nach Kriegsende in Nordhessen eröffnet wurden, entwickelte sich Eschwege schnell zu einem kulturellen Zentrum des jiddischsprachigen jüdischen Lebens. Das Lager bestand zunächst aus Baracken eines ehemaligen Militärflugplatzes östlich von Kassel. Kurz nach seiner Eröffnung 1946 hatten bereits mehr als 1.700 Menschen dort Zuflucht gefunden, am Jahresende waren es über 3.000. Die Baupläne der temporären Unterkünfte vom Juli 1946[1], die von Architekt:innen für das Team 522 der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) entworfen wurden, sind noch erhalten und können eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Lagers geben. Es wurden mehrere Bildungseinrichtungen für Kinder geplant: Kindergarten, Grundschule, aber auch Religionsschulen für alle Altersgruppen (Cheder, Talmud Torah, Yeshiva, Bet Ya’akov). In einem Kibbuz auf dem ehemaligen Flugfeld, in dem Obst und Gemüse angepflanzt wurde, wurden die Pioniere, die sich auf das Leben in „Eretz Israel“ im Völkerbundsmandat für Palästina vorbereiteten, in der Feldarbeit ausgebildet. Zum Lager gehörten mehrere Synagogen, Sportvereine, ein Kino, ein Auditorium, eine Theatergruppe und eine Zeitung, die in jiddischer Sprache herausgegeben wurde: Undzer Hofenung[2]. Einer der Flüchtlinge, der die Zeitung initiiert hatte, Mordechai Dunetz (in Polen geboren), erklärte in einem Video[3], wie improvisiert werden musste, um die jiddische zionistische Zeitung mit deutscher Ausrüstung und einer Presse, die lateinische Buchstaben verwendete, drucken zu können.

Der spätere Premierminister Israels, David Ben-Gurion, besuchte das UNRRA-Lager am 16. Oktober 1946. Einige Fotografien erinnern an dieses Ereignis. Ben-Gurion warb damals für die Auswanderung von Jüd:innen, die den Holocaust überlebt hatten, nach Palästina. Auch in der öffentlichen Erinnerung der Stadt wird dieses Besuchs mit einer großen Gedenktafel in Bronze feierlich gedacht. Sie markiert seit 2012 ein ehemaliges Gebäude des großen DP-Lagers, das heutige Eschweger Finanzamt, und zeigt eine Reliefbüste Ben-Gurions sowie ein Zitat, in dem er von der Pflicht spricht, dafür Sorge zu tragen, dass „solches Unheil“ wie der Mord an den europäischen Juden „nie wieder geschieht.“ Das Denkmal wurde von der Künstlerin Ruth Lahrmann im Auftrag der Stadt Eschwege geschaffen.

 

[1] HHStAW Bestand 531 (OFD FFM) Nr. 543: Umbau und Ausbau des ehemaligen Fliegerhorsts Eschwege zum DP-Lager zur Unterbringung von 6.000 jüdischen Displaced Persons (UNRRA Team 522 Eschwege).

[2] Kesper, Dieter E. (Hrsg.): Unsere Hoffnung. Das Schicksal Überlebender des Holocaust im Spiegel einer Lagerzeitung von 1946, herausgegeben von Bewohnern des Lagers für „Displaced Persons“ auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes in Eschwege, Eschwege 1996. Vgl. https://blog.sbb.berlin/neuerwerbung-dp-literatur-undzer-hofenung-eschwege-1946-1947/ (zuletzt aufgerufen am 4.11.2022).

[3] Mordechai Dunetz wurde am 25. Juni 2014 im Rahmen des Yiddish Book Center’s Wexler Oral History Project interviewt: https://www.youtube.com/watch?v=raKgJhE9Sak (zuletzt aufgerufen am 4.11.2022). Eine längere Version des Interviews finden Sie auf dieser Website: https://www.yiddishbookcenter.org/collections/oral-histories/interviews/woh-fi-0000564/mordechai-dunetz-2014 (zuletzt aufgerufen am 4.11.2022).

Mediateka
  • David Ben-Gurion-Denkmal

    David Ben-Gurion-Denkmal am ehem. UNRRA-Lager in Eschwege, 2011
  • Ben-Gurion in Eschwege

    Bild von David Ben-Gurion 1946 in Eschwege
  • Zeitung Undzer Hofenung

    Bild der Zeitung Undzer Hofenung vom 22.10.1946