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Rosebery d’Arguto

Hugó Scheiber (1873-1950): Porträt Rosebery d’Arguto, aus: Der Sturm, 16. Jahrgang, 5. Heft, Berlin, Mai 1925, Seite 69
Hugó Scheiber (1873-1950): Porträt Rosebery d’Arguto, aus: Der Sturm, 16. Jahrgang, 5. Heft, Berlin, Mai 1925, Seite 69

Rosebery d’Arguto (eigentlich Martin Moszek Rozenberg, Rosenberg), polnisch-jüdischer Dirigent, Komponist, Gesangslehrer und Chorleiter. Studium, Chorleiter und Gesangslehrer in Berlin. 1919/20 Herausgeber einer kommunistischen Zeitschrift. 1922-35 Leiter der Gesangsgemeinschaft Rosebery d’Arguto, einem gemischten Massenchor, der für sinfonischen Gesang berühmt wird. 1939 von den Nationalsozialisten verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort im Frühjahr 1943 ermordet. *24./25.12.1890 Szreńsk bei Mława, †im Frühjahr 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Sohn eines Gutsbesitzers. Kindheit und Jugend verbringt er offenbar in Mława und Warschau. 1905 schließt er sich der polnischen Unabhängigkeitsbewegung an. Um der Verhaftung durch die russische Polizei zu entgehen, flieht er zur Jahreswende 1906 über die österreichische Grenze. In Wien lässt er sich zum Dirigenten und Komponisten ausbilden, studiert anschließend in Italien und geht dann nach Berlin. Dort studiert er vermutlich an der Hochschule für Musik bei Georg Schünemann (1884-1945) Musikwissenschaften, bei dem Pianisten und Komponisten Gustav Ernest (1858-1941) Kontrapunkt und Musiktheorie, bei dem Kapellmeister, Dirigenten und Komponisten James Jakob Rothstein (1871-1941 im Getto Litzmannstadt/Łódź) Theorie und Komposition. Ab 1914 Gesangslehrer am Ochs-Eichelberg-Konservatorium in Berlin. 1917 übernimmt er den Berliner Schubert-Chor und gründet eine Reformgesangsschule, die „reformiert“, „pädagogisch-künstlerisch“ und „experimentell-wissenschaftlich“ im Bereich des Solo-, gemischten Kinder- und Chorgesangs tätig sein soll. 1919/20 gibt er die selbst gegründete KPD-nahe Zeitschrift Die Weltrevolution. Wochenschrift für die Interessen des internationalen Sozialismus und Kommunismus heraus. 1922 übernimmt er die Leitung des Frauen- und Männerchors Neukölln, der sich selbst als Gesangsgemeinschaft Rosebery d’Arguto bezeichnet und dem Deutschen Arbeiter-Sängerbund angeschlossen ist. Für diesen Chor, dem über zweihundert Erwachsene und neunzig Kinder angehören, arrangiert er ein umfassendes Volkslied-Programm und entwickelt die „absoluten sinfonischen Gesänge“, in denen die menschlichen Stimmen als Instrumente fungieren. Offensichtlich steht R. dem Leiter der Galerie und der Zeitschrift Der Sturm, Herwarth Walden (1878-1941), nahe, denn 1924 gestaltet die Gesangsgemeinschaft Rosebery d’Arguto einen „Sturm-Abend“ mit einem umfangreichen Programm aus klassischen Chorwerken und eigenen Kompositionen von R., die Zeitschrift Der Sturm berichtet ausführlich über dessen Wirken, und noch 1928 richtet der Chor ein Konzert für Walden aus. Ansonsten finden die außerordentlich beliebten Konzerte des Chors, der deutschlandweit für seine Professionalität berühmt ist, auf Berliner Bühnen und im Umland statt. R. erarbeitet sich mit seinem neuen Konzept für die Stimmbildung und der Arbeit mit der Gesangsgemeinschaft einen hervorragenden Ruf als Reformgesangspädagoge. Im Juni 1933 wird er von den Nationalsozialisten wegen seiner politischen Tätigkeit verhaftet, aufgrund von Protesten des Chors wieder entlassen und kann die Gesangsgemeinschaft noch bis Ende 1935 leiten, bis ihm die Reichsmusikkammer Berufsverbot erteilt. 1938 wird er im Zuge der „Polenaktion“ zusammen mit rund 17.000 in Deutschland lebenden Polen über die polnische Grenze abgeschoben. Er kehrt nach Warschau zurück und arbeitet als Gesangslehrer. Im Juli 1939 kehrt er mit einer vierwöchigen Sondergenehmigung zur Regelung persönlicher Angelegenheiten nach Berlin zurück. Im September wird er dort verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Kommunistische Mithäftlinge erkennen in ihm den berühmten Arbeiterchor-Dirigenten und erleichtern ihm den Alltag. 1940 gründet er einen rund zwanzig Mitglieder umfassenden jüdischen Gefangenenchor, für den er Lieder arrangiert und diese mit neuen Texten versieht. Darunter ist der bekannt gewordene „Jüdische Todessang“, über dessen Entstehung sein polnischer Mithäftling Aleksander Kulisiewicz (1918-1982) später berichtet. Im Oktober 1942 wird er in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Überlebende berichten, dass R. im Frühjahr 1943 in einem Außenlager ermordet worden ist. – Das kompositorische Werk von R., das vorwiegend aus Bearbeitungen und Arrangements für die Gesangsgemeinschaft bestanden hat, ist zum größten Teil während des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen. Insgesamt soll es fünfhundert Bearbeitungen gegeben haben. 32 Chorbearbeitungen der 1920er- und 30er-Jahre liegen als gedruckte Notenblätter aus Berliner Verlagen vor. 15 Bearbeitungen konnten aus Materialien und Erinnerungen ehemaliger Chormitglieder rekonstruiert werden. Die Akademie der Künste in Berlin verwahrt Partituren von Volksliedern als mehrstimmige Sätze. Im dortigen Arbeiterlied-Archiv sind Erinnerungen und Gespräche der Chormitglieder unter anderem mit Aleksander Kulisiewicz verwahrt, Briefwechsel und Auflistungen von Liederkompositionen sowie Zeitungskritiken und Konzertprogramme.

Antisemitische Publikationen:

Brückner-Rock. Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, begründet von H. Brückner und C.M. Rock, bearbeitet und erweitert von Hans Brückner, 3. Auflage, München 1938, Seite 230 (Rosebery-d’Arguto, Martin)

Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, bearbeitet von Theo Stengel und Herbert Gerigk = Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Band 2, Berlin 1940, Spalte 227 (Rosebery d’Arguto, Martin, Ps. für Rozenberg, Martin Moszek)

Literatur:

Adolf Knoblauch: Gesangs-Gemeinschaft Rosebery d’Arguto, in: Der Sturm, 15. Jahrgang, 4. Heft, Berlin, Dezember 1924, Seite 231-233

Ernst Lindenberg: Rosebery d’Arguto. Vorkämpfer der Arbeiterchorbewegung, in: Musik und Gesellschaft, 4, 1971, Seite 231-240

Shoshana Kalisch: Yes, We Sang! Songs of the Ghettos and the Concentration Camps, New York 1985

Peter Andert: Rosebery d’Arguto. Versuche zur Erneuerung des proletarischen Chorgesangs, in: Berliner Begegnungen. Ausländische Künstler in Berlin 1918 bis 1933, herausgegeben von Klaus Kändler, Helga Karolewski und Ilse Siebert, Berlin 1987, Seite 340-345

Dorothea Kolland: Absolute Gesänge und Arbeiterlieder. Rosebery d’Arguto 1890-1942, in: Zehn Brüder waren wir gewesen … Spuren jüdischen Lebens in Berlin-Neukölln, herausgegeben von Dorothea Kolland = Reihe Deutsche Vergangenheit. Stätten der Geschichte Berlins, 29, Berlin 1988, Seite 212-220

Aleksander Kulisiewicz: Adresse: Sachsenhausen. Literarische Momentaufnahme aus dem KZ, herausgegeben von Claudia Westermann, Gerlingen 1997

Guido Fackler: „Des Lagers Stimme“ – Musik im KZ. Alltag und Häftlingskultur in den Konzentrationslagern 1933 bis 1936. Mit einer Darstellung der weiteren Entwicklung bis 1945 und einer Biblio-/Mediographie = DIZ-Schriften, Band 11, (Philosophische Dissertation Universität Freiburg i. Br. 1997), Bremen 2000

Shirli Gilbert: Music in the Holocoust. Confronting Life in the Nazi Ghettos and Camps, Oxford 2005

Juliane Brauer: Musik im Konzentrationslager Sachsenhausen = Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, 25 (Philosophische Dissertation Freie Universität Berlin, 2007), Berlin 2009

Dislocated Memories. Jews, Music, and Postwar German Culture, herausgegeben von Tina Frühauf und Lily E. Hirsch, New York 2014

Online:

Martin Moszek Rosenberg (sic!), in: The Central Database of Shoa Victim’s Names, Yad Vashem, https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11615493&ind=1

Rosenberg, Martin Moszek (sic!) im Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden …, Bundesarchiv, https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?id=1218392

Juliane Brauer: Rosebery d’Arguto, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen, Universität Hamburg, 2010, https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002233 (mit zahlreichen Titel-Aufnahmen von Chorbearbeitungen, Arrangements und Originalkompositionen)

Jörn Wegner: Die Arbeitermusikbewegung im Nationalsozialismus (2008), auf: Kulturation. Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik, http://www.kulturation.de/ki_1_text.php?id=43

Martin Rosenberg, auf: Music and the Holocaust, https://holocaustmusic.ort.org/places/camps/central-europe/sachsenhausen/rosenbergmartin/

Sammlung Rosebery d’Arguto in der Akademie der Künste, Berlin, https://archiv.adk.de/bigobjekt/4241

Rosebery d’Arguto, auf: Virtuelles Schtetl, Museum of the History of Polish Jews POLIN, https://sztetl.org.pl/de/biogramen/3605-rosebery-darguto

Adolf Knoblauch: Gesangs-Gemeinschaft Rosebery d’Arguto, in: Der Sturm, 15. Jahrgang, 4. Heft, Berlin, Dezember 1924, Seite 231-233, Online-Ressource: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/sturm1924/0259/image

(alle Links wurden zuletzt im November 2019 aufgerufen)

 

Axel Feuß, November 2019

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  • Hugó Scheiber (1873-1950): Porträt Rosebery d’Arguto, Mai 1925

    Hugó Scheiber (1873-1950): Porträt Rosebery d’Arguto, aus: Der Sturm, 16. Jahrgang, 5. Heft, Berlin, Mai 1925, Seite 69