Kotsis, Aleksander
Kotsis, Aleksander, polnischer Maler, Mitglied der „Münchner Schule“. 1871-75 in München ansässig und künstlerisch tätig. *30.5.1836 Ludwinów bei Krakau, †7.8.1877 Podgórze bei Krakau. Der Vater betreibt einen kleinen Bauernhof, ab 1846 in Podgórze ein Ladengeschäft. Ab 1850 Studium an der Schule für Zeichnung und Malerei/Szkoła Rysunku i Malarstwa in Krakau bei Wojciech Stattler (1800-1875), Władysław Łuszczkiewicz (1828-1900) und Aleksander Płonczyński (1820-1858). Befreundet ist er mit den Malern Jan Matejko (1838-1893), Andrzej Bronisław Grabowski (1833-1886), Artur Grottger (1837-1867) und Izydor Jabłoński (1835-1905, Mitglied der „Münchner Schule“). Gemeinsam unternehmen sie Kunst- und Malausflüge. K. gilt in ihrem Kreis bald als Liebhaber der Tatra und der Bergwelt. 1860-62 setzt er sein Studium mithilfe eines zweijährigen staatlichen Stipendiums an der Wiener Kunstakademie bei Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) fort. Nach seiner Rückkehr nach Krakau 1862 schließt er sich einer Gruppe von jungen Künstlern und Literaten („Przedburzowcy“, dt. Der Vor-Sturm) an, die sich in der Bildhauerwerkstatt von Parys Filippi (1836-1874, Mitglied der „Münchner Schule“) im Refektorium des Franziskanerklosters trifft, im Zuge der Spätromantik neue soziale Ideen vertritt und den Januaraufstand 1863 mit vorbereitet, darunter Florian Cynk (1838-1912), Grabowski, Grottger, Matejko. 1862/63 ist er unter der Leitung von Jabłoński an der Ausführung der Gewölbemalereien in der Missionarskirche von Stradom bei Krakau zusammen mit Karol Sagnowski (1836-1879), Antoni Kozakiewicz (1841-1929, Mitglied der „Münchner Schule“) und Franciszek/Franz Streitt (1839-1890) beteiligt. 1866 geht er mit einem weiteren Regierungsstipendium zunächst nach Warschau, 1867 nach Paris und Brüssel. Die Sommermonate verbringt er in der Tatra und malt landschaftliche und Genremotive aus der Bergwelt. 1870 ist er in Wien und bereist zusammen mit Kozakiewicz Österreich und die Alpen. 1871 geht er mit Kozakiewicz nach München und betreibt dort zusammen mit ihm und Streitt ein privates Malatelier; gemeinsame Malausflüge in die bayerischen Alpen. 1871-74 Mitglied des Münchner Kunstvereins. 1872 in Tirol, Dresden und Krakau. 1874 in Litauen. 1875 kehrt er nach Krakau zurück, wo eine Gehirnerkrankung weitere künstlerische Tätigkeit nahezu unmöglich macht. – K. beschäftigt sich im größten Teil seines Werks mit dem Leben jener ländlichen Bevölkerung, aus der er selbst stammt. Die frühen Gemälde bis 1860 verfolgen einen kleinteiligen, erzählerischen Stil, der das Leben auf dem Dorf im Sinn des Spätbiedermeiers idealisiert („Markt in Tyniec“/„Jarmark w Tyńcu“, 1858, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie; „Beerdigung im Gebirge“/„Pogrzeb górala“; „Markt in Nowy Targ“/„Targ w Nowym Targu“, beide 1860, Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie). In der Zeit vor dem Januaraufstand 1863 beginnt er die ländliche Arbeit zu romantisieren („Der Schnitter“/„Kosiarz“, vor 1862, ebenda), anschließend und in den Jahren bis 1870 widmet er sich geradezu sozialrevolutionären Themen, die die Armut der Landbevölkerung in weiterhin kleinteiligen Genreszenen und realistischer Malerei schildern („Matula ist gestorben“/„Matula pomarli“, 1868, Nationalgalerie Lviv; „Kein Dach über dem Kopf“/„Bez dachu“, um 1870; „Das letzte Stadium der Armut“/„Ostatnia chudoba“, 1870, siehe Titelbild, beide Nationalmuseum Warschau). Sein besonderes Interesse gilt den Lebensumständen der Bewohner des Tatra-Gebirges und der Einbettung der Genreszenen in die Landschaft. Unverständnis in Polen über derartige Themen bewirken möglicherweise den Wechsel nach München, wo man der realistischen Genremalerei, vor allem im Kreis der polnischen Malerkolonie, offen gegenübersteht. Während der Zeit in München widmet er sich verstärkt Szenen und Landschaften aus der Tatra, schildert Bergsteiger und Touristen („Ein Ausflug in die Tatra“/„Wycieczka w Tatry“, 1873, Nationalmuseum Krakau). Seine bürgerlichen Porträts, teilweise aus der Familie, stehen in ihrer Dunkeltonigkeit und den verhaltenen Posen noch in der Tradition des Biedermeiers, während seine Bildnisse und Studien ländlicher Volkstypen den Realismus der „Münchner Schule“ reflektieren. Werke befinden sich in den Nationalmuseen von Breslau, Danzig/Gdańsk, Kielce, Krakau, Posen/Poznań und Warschau, in weiteren Museen in Białystok, Bytom, Katowice, Krakau, Lublin, Rzeszów, Toruń sowie in der Nationalgalerie von Lviv.