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Ludwik Mierosławski

Ein Porträt von Ludwik Mierosławski (nach 1863)
Ein Porträt von Ludwik Mierosławski (nach 1863)

Doch was ist eigentlich davor passiert? 1795 verschwindet Polen endgültig von der europäischen Karte. Das Land wurde in drei Schritten zwischen Preußen, dem Russischen und dem Habsburger Reich aufgeteilt. Trotz großer Bemühungen lassen sich die Polen nicht germanisieren und nicht russifizieren. Im Gegenteil. Der Freiheitsgedanke und der Wunsch nach einem eigenen polnischen Staat werden in der polnischen Bevölkerung immer stärker. Aufstände und Erhebungen begleiten die Bestrebungen für die Unabhängigkeit. Nach dem gescheiterten Novemberaufstand 1830/31 und der großen Migrationswelle der Polen durch Deutschland Richtung Westen bildet sich in Paris im März 1832 die Polnische Demokratische Gesellschaft (Towarzystwo Demokratyczne Polskie). Schnell wird sie zu einer der wichtigsten politischen Organisationen der polnischen “Großen Migration”. In den Führungskreisen sorgt derweilen ein rhetorisch starker und im Kampf erfahrener Offizier - Ludwik Mierosławski - für Aufsehen. Er wurde 1814 in Frankreich in einer polnisch-französischen Familie geboren. Als Ludwik sechs Jahren alt wird, zieht seine Familie mit ihm in die russischen Teilungsgebiete Polens um. Zehn Jahre später, also mit knapp 16 Jahren, beteiligt er sich 1830 als Fähnrich am Novemberaufstand gegen Russland. Nach der Niederschlagung des Aufstandes kehrt er 1832 nach Paris zurück. Wieder vergehen zehn Jahre, in denen Ludwik Mierosławski keinesfalls die revolutionären Gedanken und den Wunsch nach einem unabhängigen Polen verwirft. Er engagiert sich stark für die Polnische Demokratische Gesellschaft. 1842 wird Mierosławski ins Zentralkomitee dieser Gesellschaft gewählt. Drei Jahre später schickt ihn die Polnische Demokratische Gesellschaft nach Posen. Dort soll er an den Vorbereitungen zum “Posener Aufstand” teilnehmen. Das Ziel des Aufstandes ist ehrgeizig - die Wiederherstellung des polnischen Staates in den Grenzen von 1772, also vor der 1. Teilung Polens. Deswegen soll der Aufstand in allen drei Teilungsgebieten gleichzeitig stattfinden. Mierosławski kommt nach Posen nicht nur mit seiner Erfahrung, seiner Überzeugung und seiner Redegewandtheit. Er bringt auch das genaue Datum für den Beginn des Aufstandes mit. Es ist die Nacht vom 21. auf den 22. Februar 1846. Doch trotz intensiver Vorbereitungen und mutiger Entschlossenheit der Polen kommt es nicht zu einem Aufstand. Zwei Wochen vor dem festgelegten Termin, am 5. Februar 1846, erscheint bei der preußischen Polizei der polnische Adelige Henryk Popiński. Er ist über den bevorstehenden Aufstand bestens informiert. Popiński denunziert die Aufständischen und übergibt 40 Seiten mit detaillierten Plänen und einer kompletten Namensliste der involvierten Personen. Daraufhin kommt es zu Massenverhaftungen in allen Teilungsgebieten Polens. Nach eineinhalbjährigen Ermittlungen stehen zu Prozessbeginn im August 1847 insgesamt 254 Polen vor dem Königlichen Kammergericht in Berlin. Der “Polenprozess” dauert vier Monate, insgesamt 91 Prozesstage. Der Prozess weckt ein großes Interesse in der deutschen Bevölkerung. Die sogenannte “Polenbegeisterung”, also die Anteilnahme vor allem der deutschen Liberalen am Freiheitskampf der Polen nach dem Novemberaufstand 1830/31, ist zwar inzwischen in ihren letzten Zügen, dennoch deutlich zu spüren. Darüber hinaus schreibt die deutsche Presse ausführlich über den Prozess. Immerhin ist er der erste politische und öffentliche Prozess in Preußen. Das Interesse der Deutschen gilt vor allem den beiden charismatischen Anführern Karol Liberta und eben Ludwik Mierosławski, wobei Mierosławski dank seiner rhetorischen Fähigkeiten und durch sein stattliches Aussehen nicht nur politisch interessierte Bürger in seinen Bann zieht. “Neun Zehntel unserer heiratsfähigen Damen würden Herrn Mierosławski heiraten” schreibt im August 1847 die Braunschweiger Zeitung über die von Ludwik Mierosławski mit viel Pathos vorgetragene Verteidigungsrede, in der er um Verständnis für das unterdrückte polnische Volk geworben hatte. Das alles hilft nichts. Am 2. Dezember 1847 werden Ludwik Mierosławski und sieben andere Polen zum Tode verurteilt, weitere 97 Polen zu langen Haftstrafen.

Am 18. März 1848 erreicht die “Märzrevolution” auch Berlin. Nicht weit von der Berliner Breiten Straße, in der Barrikaden errichtet wurden, saß in der Taubenstraße eine Gruppe von politisch aktiven, polnischen und deutschen Studenten und schrieb eine Petition an Friedrich Wilhelm IV. Am 19. März wurde die Petition dem König überreicht. Am 20. März konnte der König, auch unter dem Druck der deutschen Bevölkerung und aufgrund der Ereignisse der “Märzrevolution”, nichts anderes tun, als die Amnestie für die polnischen Aufständischen zu erlassen. Ludwik Mierosławski und Karol Liberta wurden bei ihrer Freilassung von der wartenden Menge empfangen und bejubelt. An dem Tag hielt Ludwik Mierosławski mehrmals feurige Reden und wurde begeistert gefeiert. Die Nachricht von der Freilassung der polnischen Aufständischen machte auch nicht vor der Provinz Posen Halt. Dort kam es noch im selben Jahr zum “Großpolnischen Aufstand von 1848”. Einer der Anführer war Ludwik Mierosławski. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Mierosławski für eine kurze Zeit wieder verhaftet und dank der Protektion Frankreichs freigelassen. Ludwik Mierosławski engagierte sich auch bei anderen Aufständen und Erhebungen in Baden und Italien. Bei der “Badischen Revolution 1848/49 spielte er eine wichtige Rolle. Im Juni 1849 wurde er nämlich zum General der Revolutionsarmee ernannt. Nach dem endgültigen Scheitern des Aufstandes floh Ludwik Mierosławski nach Paris. Er fühlte sich wohl den Unterdrückten seiner Welt sehr verpflichtet, denn bereits 1861 zog Mierosławski wieder in einen Unabhängigkeitskampf, diesmal nach Oberitalien, um dort gegen die österreichische Vorherrschaft zu kämpfen. 1863 zog es ihn noch ein Mal in den Osten Europas. Als Anführer im polnischen Januaraufstand kämpfte Ludwik Mierosławski gegen das Russische Reich. Leider erfolglos. Nach der Niederschlagung floh Mierosławski nach Paris, wo er am 22. November 1878 starb. Auf den eigenen Staat mussten die Polen nach dem “Polenprozess” noch 70 Jahre warten.

 

Adam Gusowski, April 2020

 

 

Ludwik Mierosławski - Biographische Daten 

 

geb. am 17. Januar 1814 in Nemours, Frankreich

1820 - Umzug in die russischen Teilungsgebiete Polens, nach “Kongresspolen”

bis 1827 Pianistenschule in Łomża

bis 1830 Kadettenschule in Kalisz

1830 - Teilnahme am Novemberaufstand als Unteroffizier

1831 - Rückkehr nach Frankreich

nach 1833 - Mitglied der Polnischen Demokratischen Gesellschaft, später auch in Führungskreisen

1839 bis 1840 - Vorträge am Französischen Historischen Institut in Paris über die Geschichte der slawischen Völker

1846 - Vorbereitung des Großpolnischen Aufstandes, durch Verrat verhaftet

1847 - “Polenprozess” und Todesurteil, umgewandelt in lebenslange Haft

1848 - Amnestie und Befreiung aus dem Moabiter Gefängnis in Berlin

1848 - Teilnahme am “Großpolnischen Aufstand von 1848”

1848 - erneute Verhaftung und Freilassung durch Protektion Frankreichs

1848 - Stabchef der Armee der Sizilianischen Revolutionsregierung

1849 - Rückkehr nach Paris

1849 - Karlsruhe, General und Oberbefehlshaber der badischen Revolutionsarmee bei der  badischen Revolution

1849 - Rückkehr nach Paris, Beschäftigung als Privatlehrer

1860 - Oberbefehlshaber der Internationalen Legion in Italien

1861 bis 1862 - Leiter der Polnischen Militärschule in Genua

1863 - Teilnahme am polnischen Januaraufstand gegen das Russische Reich, nach dem Scheitern des Aufstandes zieht er sich aus dem politischen Leben zurück und betätigt sich verstärkt als Schriftsteller in Paris.

am 22. November 1878 stirbt Ludwik Mierosławski in Paris

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