Salzgitter Drütte

KZ Drütte
Außenansicht der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Drütte

Die Errichtung des Lagers Drütte als eines der ersten Nebenlager des Konzentrationslagers Neuengamme im Herbst 1942 stand unmittelbar mit dem Ausbau der bereits seit 1940 Munition herstellenden Hütte Braunschweig in Verbindung, die zu den Reichswerken Hermann Göring (RWHG) gehörte. Das für etwa 3.000 Insassen vorgesehene Lager befand sich auf dem Werksgelände. Mit seiner Errichtung wurde unter anderem das Arbeitslager Nr. 27 für polnische Zwangsarbeiter unweit der Hütte aufgelöst und die polnischen Häftlinge hierher verlegt. Neben vier Wohnbaracken, in die die Zwangsarbeiter unter schwierigsten Bedingungen hausen mussten, einer Lagerküche und einer Krankenstation, wurden vier hölzerne Wachttürme und neun Schützenbunker installiert, überdies befanden sich fünf Holzbaracken für die etwa 100-Mann starke Wachabteilung der SS in unmittelbarer Nähe.

Zu den größten Häftlingsgruppen zählten Russen, Polen, Franzosen und Niederländer, überdies Juden aus Polen, Deutschland und vom Balkan. Ende 1943 kamen schließlich Italiener hinzu. Bei den Insassen handelte es sich um meist junge und (noch) arbeitsfähige Personen, die häufig während Straßenrazzien, die in den von den Deutschen besetzten Ländern immer wieder durchgeführt wurden, aufgegriffen oder aus anderen Lagern hierher verlegt wurden. Die Zwangsarbeiter wurden durch tägliche, zwölfstündige schwerste Arbeit ausgebeutet. In den überfüllten Baracken mussten sich zwei Häftlinge eine Pritsche teilen, die Lebensmittelrationen waren völlig unzureichend und die Kleidung reichte weder für die Winterzeit noch zur Arbeit aus.

Die über die Kräfte der Häftlinge hinausgehende Arbeit, die fürchterlichen Existenzbedingungen, die unzureichende Ernährung und Kleidung sowie der Mangel an grundlegenden Hygieneartikeln und Arzneimitteln führten zu Erkrankungen und Infektionen, die häufig in Epidemien mündeten. Zudem wurden die Zwangsarbeiter von den Wachmannschaften und Angehörigen der Kapo grundlos körperlich misshandelt oder für die geringsten Vergehen geschlagen, mitunter etwa dann, wenn sie keine Kraft mehr hatten weiterzuarbeiten. Es kam auch zu Erschießungen während des Marsches zur Arbeitsstelle oder während der Arbeit in den Betrieben. Aber auch „offiziell“ gesprochene und vollstreckte Todesurteile waren an der Tagesordnung. Mit Leichen beladene Lastwagen machten sich mit der Zeit immer häufiger auf den Weg vom Lager zum neu eingerichteten Friedhof „Jammertal“ in Salzgitter-Watenstedt oder nach Braunschweig, wo sie im Krematorium am an der Helmstedter Straße gelegenen Friedhof eingeäschert wurden. In den Tagen vor der Evakuierung des Lagers ermordete die SS zahlreiche Häftlinge, die nicht mehr in der Lage waren, sich auf den Marsch zu machen; deren Leichen wurden teils auch auf dem Werksgelände verscharrt. Die letzten Opfer aus dem KZ Drütte wurden am 17. August 1952 bei Erdarbeiten auf dem Gelände des Walzwerkes gefunden, das sich in unmittelbarer Nähe des Lagers befand.

Zwischen dem 18. März und dem 2. April 1947 wurden sieben Peiniger aus dem KZ Drütte der Tötung und Misshandlung alliierter Staatsangehöriger im Arbeitslager der Hermann Göring-Werke angeklagt. Trotz der überaus belastenden Zeugenaussagen, sprach das Militärgericht nur drei der Angeklagten für schuldig und beließ es bei Strafen, die in Relation zu den begangenen Verbrechen unverhältnismäßig gering ausfielen. Rapportführer Karl Hecht wurde zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, der erste Betriebsassistent Walter Mehnert zu fünf Jahren und der SS-Angehörige Karl Sokolo zu lediglich sechs Monaten.

Lange Jahre waren die Kriegsverbrechen in Salzgitter ein Tabuthema, das einzige Zeugnis der Ereignisse während des Krieges waren zwei Friedhöfe in der Stadt, wo die Leichen von mehr als 3.800 Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft begraben worden waren. Erst 1972 brachte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge den Kriegsfriedhof „Jammertal“ in einen begehbaren Zustand und machte ihn als Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus zugänglich. Im Jahr 1982 organisierten die Volkshochschule Salzgitter und die Evangelische Kirche zum 40-jährigen Jahrestag der Stadtgründung eine Reihe von gut besuchten Ausstellungen und Vorlesungen zu den Kriegsgeschehnissen in der Stadt. Einen Beitrag, um das Schweigen zu brechen, leistete auch die Publikation „Zwangsarbeit im Stahlkonzern“ von Gerda Wysocki sowie die Entstehung des Arbeitskreises Stadtgeschichte e.V. im Jahr 1983. Seitdem finden alljährlich am 11. April Feierlichkeiten zum Gedenken an den Einmarsch der amerikanischen Truppen in der Stadt und die Befreiung des Konzentrationslagers Drütte statt. Nach jahrelangen Gesprächen kam es im Januar 1992 schließlich auch zu einer Verständigung über die Schaffung einer Gedenkstätte auf einem Teil des Geländes des ehemaligen Lagers, welches heute zum Konzern Salzgitter AG gehört. Die Inschrift einer an dieser Stelle 1985 angebrachten Gedenktafel lautet:

AUS ANLASS DER 40. WIEDERKEHR DES TAGES DER BEFREIUNGIN SALZGITTER GEDENKEN WIR AN DIESER STELLE DER ERMORDETEN UND ÜBERLEBENDEN DES KZ-AUSSENLAGERS NEUENGAMME

Ein Teil der Namen und Informationen über die verstorbenen und getöteten Zwangsarbeiter aus dem Konzentrationslager Drütte befindet sich im Verzeichnis der auf dem Kriegsfriedhof Salzgitter-Jammertal beerdigten Opfer.

Mediathek Sorted

Mediathek
  • KZ Drütte

  • KZ Drütte

  • KZ Drütte

  • KZ Drütte

  • KZ Drütte

  • KZ Drütte