Salzgitter Hallendorf

Kriegsgräberstätte Westerholz
Auf diesem Friedhof ruhen 857 Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft 1939-1945

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war der Kriegsfriedhof Westerholz der katholische Gemeindefriedhof. Heute gibt es links und rechts im ersten Teil des Geländes noch einige Gräber von Bewohnern Hallendorfs. Bis Mitte 1943 diente er als Lagerfriedhof, aufgrund von Platzmangel wurden die weiteren Opfer auf dem neuangelegten Friedhof Jammertal begraben. Im November 1945 gedachten ehemalige ukrainische Zwangsarbeiter ihrer Landsleute mit einer Steinplatte, die sich links vom Eingang direkt auf dem Erdboden befindet und folgende Aufschrift in ukrainischer, russischer und englischer Sprache trägt:

TUTAJ SPOCZYWA POD 806 KOPCZYKAMI GROBÓW

KILKASET NIEZNANYCH Z NAZWISKA

MĘCZENNIKÓW RÓŻNYCH NARODOWOŚCI.

NIECH WAM TA NIEPRZYCHYLNA

ZIEMIA LEKKĄ BĘDZIE!

WIECZNA PAMIĘĆ I CHWAŁA!

 

CMENTARZ UKRAIŃSKI

1. LISTOPAD 1945

Rechts vom Eingang wurde eine Metallplatte auf einem Betonfundament angebracht und mit einem Text versehen:

AUF DIESEM FRIEDHOF LIEGEN 857 OPFER DES NATIONAL-

SOZIALISTISCHEN HERRSCHAFTSSYSTEMS BEGRABEN: ARBEITER, KRIEGSGEFANGENE, ZWANGSARBEITER. SIE WAREN HÄFTLINGE DES STRAF- UND TODESLAGERS 21, DAS DEN NATIONALSOZIALISTEN DAZU DIENTE, DIE ARBEITSDISZIPLIN DER IN DER RÜSTUNGSPRODUKTION ARBEITENDEN MÄNNER UND FRAUEN AUFRECHTZUERHALTEN UND JEGLICHEN WIDERSTAND ZU BRECHEN, VIELE OPFER WAREN GEZWUNGEN, FÜR EINE RÜSTUNG ZU ARBEITEN, DIE SICH GEGEN IHRE HEIMATLÄNGER UND GEGEN IHRE EIGENEN ANGEHÖRIGEN RICHTETE, DER DEUTSCHEN ARBEITERSCHAFT WURDEN MIT DEM LAGER 21 DIE GEFAHREN EINER AUFLEHNUNG UND VON WIDERSTANDSHANDLUNGEN VOR AUGEN GEFÜHRT.

 

AUF DIESEM FRIEDHOF WERDEN DIE FOLGEN EINER POLITIK SICHTBAR, DIE DIE RECHTE DER ARBEITENDEN MENSCHEN UND DEN FRIEDEN UNTER DEN VÖLKERN MIT FÜSSEN TRITT.

 

Bis in die 1980er Jahre hinein geriet der Friedhof samt der auf ihm bestatteten Opfer in Vergessenheit und Unordnung. Im November 1983 wurde, zum ersten Mal seit Kriegsende, am Gedenktag der Weltkriegsopfer, eine Informationstafel enthüllt. Sie enthält folgenden Schriftzug:

AUF DIESEM

FRIEDHOF

RUHEN

857 OPFER

DES KRIEGES

UND DER GEWALT-

HERRSCHAFT

1939–1945

 

2003 wurden Sanierungsarbeiten auf dem Friedhof durchgeführt und fehlende Gedenkplatten ersetzt, was aufgrund von Diebstählen oder Vandalismus nötig war.

Das Sonderlager XXI war das schrecklichste Arbeitslager in Salzgitter und Umgebung, dass den Widerstand brechen sollte, in einigen hundert Fällen durch Mord an den Häftlingen. Die Lagerentstehung hing direkt mit der wachsenden Zahl polnischer Zwangsarbeiter zusammen sowie deren Einstellung gegenüber den diskriminierenden und jegliche Rechte beschneidenden Gesetzen von März 1940 (sog. Polenerlass: Jeder Arbeitgeber, Aufseher oder Reichsbürger konnte polnische und sonstige Zwangsarbeiter anklagen oder denunzieren), laut denen Polen lediglich das Recht auf Zwangsarbeit hatten, in diesem Fall zugunsten der Rüstungsindustrie des Dritten Reiches. Sie reagierten mit passivem Widerstand und dem Boykott deutscher Anordnungen, weshalb Göring verfügte, jene Polen, die ihrer Arbeitspflicht nicht nachkamen, noch stärker zu sanktionieren. Die Leitung der Reichswerke-Hermann-Göring machte im Frühling 1940 der Gestapo das Barackengelände zugänglich, wo ein Straflager für arbeitsmeidende oder unergiebige Polen entstand, in dem auch politische Widersacher des Regimes festgehalten und getötet wurden. Am 28. Mai 1941, als es bereits Straflager für Polen bei einigen Konzernen und Polizeipräsidien gab, gliederte Himmler sie per Verordnung als Arbeitserziehungslager in das Repressionssystem der SS ein. 1942 wurde ein Bereich für Frauen angebaut.  

Das Lager war für die Aufnahme von 300–400 Häftlinge vorgesehen, aber 1942 wurden dort 1.400 und im nächsten Jahr 1.800 festgehalten, hinzu kamen 400–600 Frauen. Bis April 1945 durchliefen insgesamt 28.000 Männer und 7.000 Frauen aus Polen, Tschechien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Russland, Italien und Deutschland das mörderische Strafsystem der SS. Selbst zwölfjährige Kinder waren unter den Gefangenen, deren ältester 80 Jahre alt war. Auch schwangere Frauen wurden nicht geschont. Durchschnittliche Urteile betrugen drei bis acht Wochen, manchmal gab es auch sechsmonatige oder längere Haftzeiten. In Räumen von sechs mal acht Metern mussten 24 Pritschen für 80–90 Menschen reichen, zwei pro Schlafplatz, die anderen schliefen auf dem Boden. Anfangs hatte jede Person eine Decke, ab 1944 wurden praktisch keine Decken und Kleidung ausgeteilt, die Häftlinge arbeiteten und schliefen in zerrissener und dreckiger Zivil- oder Arbeitskleidung. Im Winter erhielt jeder Raum einen Eimer Kohle, der für keine Stunde Wärme gab. Bei 19 Räumen gab es zwei mit Duschen, in denen warmes Wasser selten war. Die Menschen waren verdreckt und froren, viele von ihnen erlitten Erfrierungen, doch der Aufenthalt im Lazarett verlängerte die Haft um nicht gearbeitete Tage, weshalb selten jemand dort freiwillig meldete. Die medizinische Versorgung war katastrophal: Von 1943 bis 1944, als SS-Obersturmbannführer Dr. Garding Lazarettarzt war, starben 720 Häftlinge.      

Die Insassen waren in zwei Gruppen geteilt. Der größere Teil, die sogenannten Bummelanten, wurden für geringere Vergehen zu mehrwöchiger Erziehung mittels Schlagen und harter Arbeit verurteilt. Nach Absitzen der Strafe kehrten sie geprügelt und ausgehungert an ihre Arbeitsplätze zurück, es sei denn, sie waren für Transporte in eines der Konzentrationslager vorgesehen. Dann verlängerte sich ihr Aufenthalt, bis ein Transport zu einem bestimmten KZ komplett war, was einige Monate dauern konnte. Die zweite Gruppe, die Blauen (Farbe ihrer Lagerkleidung), bestand aus Häftlingen, die jenseits selbst der verbrecherischen Reichsgesetze durch die SS verurteilt wurden. Die Gründe für den Erhalt der blauen Kleidung und des Aktenvermerks ‚besondere Behandlung‘ waren zum Beispiel Arbeitssabotage, das Hören des englischen Rundfunks, politische Aussagen oder auch nur derlei Andeutungen (Witze über das Reich und die Partei), sexuelle Kontakte. Sie wurden Todeskandidaten genannt. Neben den von Sondergerichten verurteilten Häftlingen hielt die Braunschweiger Gestapo ständig ca. 30 Gefangene fest, die nach der Tortur durch zermürbende Arbeit gehängt, mittels Erschießung hingerichtet oder während ihrer Arbeitszeit von einem Aufseher, nach Erteilung einer Genehmigung, erschossen wurden. In letzterem Fall erfolgte der Vermerk ‚während des Fluchtversuchs erschossen‘ und die Erteilung eines mehrtätigen Urlaubs für den Schützen.      

Die Liste der außerhalb des Rechts und auf Grundlage von Urteilen der Gestapo Ermordeten beinhaltet 142 Namen, darunter 18 Polen. Alle waren Gefangene des Straflagers, denen die besondere Behandlung zuteilwurde:

1. ANTONI NAWROCKI * 13.3.1915 Warszawa † 8.7.1941 erschossen

2. JÓZEF GRUDZIEŃ * 21.7.1918 † 22.7.1941 erschossen

3. WAWRZYNIEC CELJOCKI * 8.8.1909 Seidluw † 13.10.1941 erschossen

4. STANISŁAW WOJCIESZKOWSKI * 10.9.1902 † 26.10.1941 Unfall?

5. STANISŁAW NOWAKOWSKI * 5.4.1915 Iwanowice † 10.1.1942 erhängt

6. MARIAN GIERCZ * 29.11.1922 Tarnów † 4.4.1942 erschossen

7. WŁADYSŁAW SŁOTA * Sosnowiec † 16.4.1942 Bauchschuss

8. FRANZ CAPEKAVER (Kapekafer?) * 29.9.1908 Mikoliczyn † 29.5.1942 erhängt

9. JÓZEF LIPIŃSKI * 18.5.1918 Dobryninski † 7.7.1942 Selbstmord?

10. JAN CZYŻ * 1.2.1905 Lipowce † 13.8.1942 Delbstmord durch Erhängen?

11. TADEUSZ SZYMAŃSKI * 5.1.1926 Plikau † 15.9.1942 erschossen

12. KAROL BOBA * 1.12.1922 Ratoszyn † 16.11.1942 erschossen

13. JÓZEF RATAJCZYK * 31.3.1903 Sobiczewo † 16.11.1942 erschossen

14. MARIAN RYŚ * 12.9.1923 Lipno † 16.11.1942 erschossen

15. WŁADYSŁAW MITAS * 3.5.1901 Tomkowice † 25.11.1942 erschossen

16. KAZIMIERZ STANISŁAWSKI * 18.1.1913 † 19.3.1943 erschossen

17. CIEŚLAK * 4.5.1920 † 4.4.1944 erschossen

18.TADEUSZ WOLNICKI * 12.10.1914 Radomsk † 12.12.1944 Tod durch Ertrinken

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