Obdachlose Pol:innen in Deutschland. Geschichten, die gehört werden müssen!

Drei Folgen des Podcasts „COSMO po polsku“ über „Obdachlose Pol:innen in Deutschland“ (Bezdomni Polacy w Niemczech) aus dem November und Dezember 2024 beleuchten die Hintergründe dieses Phänomens und nehmen die Zuhörer:innen mit in eine Welt von Armut, Sucht und Überlebenskampf auf den Straßen Berlins, Münchens und Hannovers.
1. Es sollte doch so schön sein
Die erste Folge des Podcasts zeigt, wie der Traum von einer besseren Zukunft im Ausland in die brutale Realität des Lebens auf deutschen Straßen umschlägt.
„In unserem Krankenhaus werden mehr polnische Obdachlose behandelt als in sämtlichen Krankenhäusern in Warschau zusammen“, sagt Dr. Tomasz Skajster, Neurochirurg am Berliner Vivantes-Klinikum. Jedes Jahr werden in seiner Notaufnahme etwa 1.000 hilfsbedürftige obdachlose Pol:innen behandelt, 200 davon langfristig. Das Ausmaß des Phänomens ist besorgniserregend; die Geschichten der Betroffenen zeigen, wie unterschiedlich die Wege in die Obdachlosigkeit sein können. Doch welche Ursachen verbergen sich dahinter?
Deutschland ist für Pol:innen seit jeher ein Synonym für höhere Löhne und stabilere Arbeits- und Lebensverhältnisse. Viele kommen in der Hoffnung auf schnellen Erfolg; sie glauben fest daran, hier leicht Arbeit und Unterkunft zu finden. Doch der Alltag lässt diese Hoffnungen bald platzen. „Viele meinen immer noch, Deutschland sei ein Schlaraffenland. Sie denken, dass sie hier schnelles Geld machen können. Erst vor Ort stellt sich heraus, dass sie keine Arbeit finden können, weil sie kein Deutsch sprechen“, erklärt Barbara Paśnicki von der Caritas.
Viele Pol:innen wenden sich an Zeitarbeitsfirmen, die eine sofortige Vermittlung versprechen. Doch sie werden oft enttäuscht. Piotr – ein junger, obdachloser Pole – erinnert sich: „Ich habe über eine Arbeitsvermittlung einen Job gefunden, kam dort aber nicht klar. Eigentlich sollte ich Mülltonnen an Müllwagen befestigen, doch ich wurde zum Müll sortieren verdonnert, und darin waren lauter Spritzen. Ich habe mich geweigert, diese Arbeit zu machen.“
Einige sehen die Auswanderung nach Deutschland auch als eine Möglichkeit, der eigenen, schwierigen Vergangenheit zu entfliehen: Straffälligkeit, Sucht, familiären oder sozialen Problemen. Marek, ein junger Mann, den die Drogensucht auf die Straße trieb, gesteht: „Ich habe lange gefixt und bin schließlich auf der Straße gelandet. Ich habe das Vertrauen meiner Familie verspielt und schäme mich, nach Polen zurückzugehen.“ In Berlin hat er zwar medizinische Hilfe erhalten und sich einer Therapie unterzogen, doch er hat noch einen langen, herausfordernden Weg zurück zur Normalität vor sich.
Im deutschen Sozialsystem sind Hilfsmaßnahmen für Obdachlose einfacher zugänglich als in Polen. Notschlafstellen, kostenlose Mahlzeiten und medizinische Versorgung machen das Leben auf deutschen Straßen leichter. Berlin hat unter obdachlosen Pol:innen einen guten Ruf: Das breite Angebot an Unterstützung zieht auch Menschen an, die schon vorher in die Obdachlosigkeit geraten waren.
Die Geschichten der Pol:innen, die auf den Straßen Deutschlands leben, sind oft Geschichten von gescheiterten Plänen, von Träumen, die an der brutalen Realität zerschellt sind. Fehlende Planung sowie mangelnde Sprachkenntnisse und soziale Unterstützung führen oft zur Obdachlosigkeit. Der Sozialarbeiter Wojciech Greh, der seit vielen Jahren mit Obdachlosen arbeitet, kommentiert: „Sie kommen hierher in dem Glauben, direkt 2.000 Euro netto verdienen zu können. Das geht aber nicht, da sie oft weder einen Abschluss haben noch die Sprache beherrschen.“ In einer solchen Situation verfallen Menschen leicht in die sogenannte Abhängigkeit von Hilfe: Sie nehmen Notunterkünfte, kostenlose Mahlzeiten und andere Formen der Unterstützung in Anspruch, ohne jedoch selbst etwas zu unternehmen, um aus dieser Lage herauszukommen.
Doch Deutschland kann, trotz des umfangreichen Hilfsangebots, nicht alle Erwartungen erfüllen. Diejenigen, die die Chance auf ein besseres Leben verlieren, bleiben oft dauerhaft am Rand der Gesellschaft und werden von Wohltätigkeitsorganisationen und hilfsbereiten Menschen abhängig.