Niewiedzial, Katarina
Katarina Niewiedzial (*1977) – für mehr Menschen mit Migrationsbiografie in der Verwaltung
Katarina Niewiedzial ist seit Mai 2019 Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration. Zuvor war sie von 2014 bis 2019 die Integrationsbeauftragte des größten Berliner Bezirks Pankow. In dieser Funktion initiierte sie das Welcome Center Pankow, eine Beratungsstelle, die Neuankommenden umfassende Unterstützung bietet. Von 2007 bis 2014 war Katarina Niewiedzial Geschäftsführerin des Think Tanks „Das Progressive Zentrum“. An der University of Limerick und der FU Berlin hat sie European Studies und Politikwissenschaften studiert. Mit zwölf Jahren zog sie mit ihrer Familie aus Gryfino in Polen nach Deutschland. (Vgl. Stefanek: Katarina Niewiedzial – Eine Polin im Dienst der Migrant:innen, Porta Polonica 2021)
„Mit meiner Arbeit verbinde ich drei große Ziele. Erstens: Berlin als weltoffene Metropole zu stärken und dabei aktiv gegen Rassismus und Vorurteile anzukämpfen, zweitens: alle Berlinerinnen und Berliner mitzunehmen und verstärkt Räume zur Mitgestaltung für ein besseres Zusammenleben zu schaffen und drittens: einen großen Beitrag dafür zu leisten, dass der öffentliche Dienst ein attraktiver Arbeitgeber wird – und zwar für alle Menschen, unabhängig ihres Alters, Geschlechts, ihres kulturellen, religiösen oder ethnischen Hintergrunds.“ (Katarina Niewiedzial)
Neben ihrer Funktion als Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration agiert sie auch als Berliner Polonia-Beauftragte. In dieser Rolle vertritt sie die Interessen der in Berlin lebenden Menschen mit polnischer Einwanderungsgeschichte. Mit Blick auf die räumliche Nähe von Berlin zu Polen hat sie aber auch ein großes Interesse an einer Stärkung des Netzwerks, vor allem auf kommunaler Ebene, d. h. auf der Landesebene. Schließlich setzt sie sich auch für eine Stärkung der Polonia in Deutschland insgesamt ein und sucht die Zusammenarbeit mit den Beauftragten der anderen Bundesländer.
Als Teil der Verwaltung ist es ihre Aufgabe, gemeinsam mit ihrem Team die Politik des Senats in die Praxis umzusetzen.
„Berlin ist eine Stadt des Ankommens. Es steht für progressive gesellschaftliche Veränderungen und für Partizipation in der Migrationsgesellschaft. Jährlich ziehen viele 10.000 Menschen aus verschiedenen Ländern und Gründen und mit unterschiedlichen Voraussetzungen nach Berlin. Sie alle sollen möglichst von Anfang an die Chance haben, sich schnell zurechtzufinden und wohlzufühlen. Dafür brauchen wir eine moderne, serviceorientierte Verwaltung und diskriminierungsfreie Strukturen in der Stadt, die Menschen unterstützen, auch wenn Probleme auftauchen. Wir brauchen aber vor allem auch eine starke und aktive Zivilgesellschaft“ (KN)
Deswegen setzt sie in ihrer Arbeit auf Kooperation sowohl mit anderen Ressorts als auch mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren der Stadtgesellschaft, vor allem mit den zahlreichen Berliner Migrant:innenorganisationen.
Ihr Motto: „Nicht nur meckern, sondern anpacken. Ich möchte für meine Stadt und für die Menschen hier arbeiten. Ich will in die Probleme reingehen, sie verstehen und dann Lösungen entwickeln. Das ist für mich eine unglaublich sinnstiftende Arbeit. Das motiviert mich täglich im Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Berliner Verwaltung und vor allem auch in der Zusammenarbeit mit der unfassbar aktiven Berliner Zivilgesellschaft.“ (KN)
Um die Türen in die Verwaltung zu öffnen, hat sie in Berlin das Gesetz zur Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG) vorangetrieben, das unter großer Mitwirkung der Zivilgesellschaft entwickelt und im Sommer 2021 vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Das Gesetz ist die Grundlage, um Ausschreibungen auf neue Zielgruppen auszurichten. Stellenausschreibungen werden überprüft und Verfahren der Personalentwicklung hinterfragt.
„In fünf bis zehn Jahren müssen wir sehen, dass deutlich mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in der Berliner Verwaltung arbeiten. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Polinnen und Polen in Berlin, wie schwer der Weg in den öffentlichen Dienst ist. Leider lassen sich viele durch Erzählungen anderer schon von der Bewerbung abschrecken. Das geht auf gar keinen Fall! Die Arbeit im öffentlichen Dienst ist nach wie vor attraktiv.“ (KN)
In der Berliner Bevölkerung haben 37 % aller Menschen eine eigene oder familiäre Migrations- oder Fluchtgeschichte. Bei Kindern und Jugendlichen liegt die Zahl noch höher. „Das Gesetz der Offenen Tür“ soll Zugänge in der Verwaltung erleichtern und Türen öffnen. Dazu gehört natürlich auch, Ein- und Aufstiegschancen für Quereinsteiger:innen zu ermöglichen. Noch sind die Verwaltungen hier zu starr und unflexibel.
„Es tut sich aber einiges. Auch hier werden sich weitere Türen öffnen. Es ist auch aus einem anderen Grund gut: Die Verwaltung braucht mehr Menschen mit anderen beruflichen Vorerfahrungen und Werdegängen in den Amtsstuben. Diversität wird auch in diesem Sinne guttun. Ich kann mir auch ein zentrales Career Center für den öffentlichen Dienst im Land Berlin gut vorstellen. Aktuell arbeiten im Berliner öffentlichen Dienst etwa 150.000 Menschen. Der demographische Wandel macht in den kommenden Jahren sehr viele neue Stellenbesetzungen notwendig. Der öffentliche Dienst ist der größte Arbeitgeber im Land Berlin. Wir haben aber noch keinen begehbaren Ort, an dem man sich zu Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten informieren kann. Berufsbilder müssen vorgestellt und erlebbar werden. Dort sollen Wege zur Ausbildung oder auch Verfahren des Quereinstiegs erklärt werden. Ein solcher Ort, mitten in der Stadt, direkt neben dem Roten Rathaus, das wäre ein starkes Signal und eine gute Unterstützung bei beruflichem Einstieg.“ (KN)
Sie ist auch eine große Anhängerin von Netzwerken und Mentoringprogrammen. Beides gibt Kraft und eröffnet Zugang zu Wissen und Erfahrungswerten. Es erhöht die eigene Sicherheit beim Auftritt und die Gewissheit, dass man nicht allein ist.
Das größte und wichtigste Projekt ist für sie aber das Berliner Partizipationsgesetz. Viele Bundesländer beneiden Berlin darum. Viele Migrant:innenorganisationen sehen es als Blaupause für die Bundesebene, auf der aktuell ein Bundespartizipationsgesetz entwickelt werden soll. Beeindruckt hat sie vor allem der gleichsam partizipative Prozess der Entstehung des Gesetzes, den sie als große Bereicherung empfunden hat. Es war eine sehr produktive und konstruktive Zusammenarbeit zwischen politischen Akteuren, der Verwaltung und Zivilgesellschaft. Nun geht es an die Umsetzung des Gesetzes. Gerade im Bereich der Beiräte und der Strukturen in Bezirken wurde schon viel erreicht. Für den nächsten Schritt braucht es einen langen Atem, wenn man mehr Menschen mit Migrationsgeschichte den Zugang zum öffentlichen Dienst erleichtern und ihnen dort auch langfristige Entwicklungsmöglichkeiten bieten möchte.
„Ich freue mich auch, dass ich in Berlin mit vielen Migrant:innenorganisationen zusammenarbeiten kann und dass die Förderung über das Partizipationsprogramm ausgebaut werden konnte. Dies gibt vielen migrantischen Vereinen mehr Sicherheit und Stabilität. Natürlich freue ich mich, dass auch polnische Organisationen davon profitieren!“ (KN)
Als Polonia-Beauftragte des Landes Berlin ist ihr Wunsch mit Blick auf die sehr große polnischstämmige Community in Berlin und die vielen polnischen Migrant:innenorganisationen ein eigenes Förderprogramm. Für die nächsten Haushaltsverhandlungen wurde dieser Punkt schon vorgemerkt. Darüber hinaus möchte sie in Berlin ein Netzwerk zwischen den polnischen Organisationen und den anderen Communitys aus dem EU-Raum spannen. Dazu gibt es auch eine große Schnittmenge an Themen und Besonderheiten in Bezug auf die Migration von sog. Drittstaatler:innen. Die polnischen Organisationen haben eine starke Basis, zum Teil eine lange Geschichte und viel Erfahrung. Deswegen wünscht sie sich, dass diese vorangehen und mit anderen zusammenarbeiten.
„Schön fände ich auch ein berufliches Netzwerk für migrantische Frauen. Es gibt gute Vorbilder und Ansätze – gerade auch von agitPolska e. V. mit dem Mentorinnenprogramm. Wir sollten aber noch größer und nachhaltiger denken. Frauen in der Migration tragen eine unglaubliche Verantwortung und machen wahnsinnige Erfahrungen. Davon müssen wir alle profitieren.“ (KN)
Allen, für die Arbeit in der Verwaltung in Frage kommt, und insbesondere Frauen empfiehlt sie:
„Nicht aufgeben! Bewerbungsverfahren sind langwierig und nervig. Aber die Berliner Verwaltung braucht Frauen mit polnischer Migrationsgeschichte. Im Vergleich zum Anteil in der Berliner Bevölkerung sind sie nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. In den Amtsstuben werden ihre Perspektiven, ihre Sprachkenntnisse und ihr Zugang zu den Zielgruppen gebraucht. Ich möchte Ihnen noch einen Tipp mitgeben: Bauen und nutzen Sie Netzwerke. Nehmen Sie Kontakt zu Frauen in der Verwaltung auf und Sie werden wertvolle Hinweise und Tipps bekommen.“ (KN)
Kontakt: integrationsbeauftragte@intmig-berlin.de
Anna Stahl-Czechowska, November 2023
(Der Text wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Interviews erstellt.)