Velpke
Anstalten dieser Art wurden auf Grundlage der Verordnung Heinrich Himmlers vom 27. Juli 1943 geschaffen. Die Säuglinge sollten so schnell wie möglich nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden, die weiter als Zwangsarbeiterinnen ausgebeutet werden sollten. Die Anstalt in Velpke wurde im Mai 1944 eingerichtet und bis zum 14. Dezember 1944 in einer Baracke auf dem Gelände des Steinbruches betrieben. Die Bedingungen waren katastrophal, der Mangel betraf jeden Bereich, angefangen von fehlendem fließenden Wasser und Strom, über die Hygiene und Ernährung bis hin zur medizinischen Betreuung. Dennoch wurden die Mütter sogar noch dazu verpflichtet, für den Aufenthalt ihrer Kinder in der Anstalt 1 Mark täglich zu entrichten, beim Tod des Kindes mussten sie 15 Mark für die Beerdigung bezahlen. Die Anstalt wurde geschlossen, nachdem das nahegelegene Volkswagenwerk Bedarf für Baracken anmeldete. Die noch lebenden Säuglinge wurden in die Anstalt in Rühen gebracht, bei der es sich de facto ebenfalls um eine Todesanstalt handelte.
Die zuständige Stelle für den Betrieb der sogenannten Pflegestätten war die NSDAP, wenngleich keinerlei Standards für den Betrieb festgelegt worden waren. Zweifelsohne war es das Hauptziel der Anstalten, sich der Kinder schnellstmöglich zu entledigen – durch ihren Tod. Zwischen dem 20. März und dem 3. April 1946 mussten sich mehrere Personen, die für den Betrieb der sogenannten Pflegestätte in Velpke unmittelbar verantwortlich waren, vor dem britischen Militärgericht in Braunschweig verantworten. Gegen vier Personen ergingen Urteile – der NSDAP-Kreisleiter und zugleich Funktionär der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Georg Hessling, und der NSDAP-Kreisorganisationsleiter, Heinrich Gerike, wurden zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Todesurteile wurden am 8. Oktober 1946 in der Strafvollzugsanstalt in Hameln vollstreckt. Die Anstaltsleiterin, Valentina Bilien, wurde zu 15 Jahren, der Arzt Dr. Richard Demmerick zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Am 16. November 1996 wurde zum Gedenken an die getöteten polnischen und sowjetischen Säuglinge auf dem Friedhof in Velpke eine Gedenktafel enthüllt. An den Feierlichkeiten nahmen unter anderem der Generalsekretär des Rates zur Bewahrung des Gedenkens an Kampf und Martyrium („Gedenkstättenrat“), Andrzej Przewoźnik, der Generalkonsul des polnischen Generalkonsulats in Hamburg, Mieczysław Sokołowski, der Bürgermeister der Stadt Velpke, Vertreter der Polnischen Katholischen Mission in Deutschland, Vertreter des Gemeinderates von Velpke sowie Einwohner der Stadt teil. Bei dieser Gelegenheit wurde Frau Bernhild Vögel, die dieses vergessene Verbrechen dokumentiert und öffentlich bekannt gemacht hat, die Medaille für die Bewahrer von Orten des polnischen, nationalen Gedenkens in Gold („Opiekun Miejsc Pamięci Narodowej”) verliehen.
Nachstehend die zweisprachige Inschrift auf der Gedenktafel:
„JEŚLI ECHO ICH GŁOSÓW UMILKNIE – ZGINIEMY”
TU W 1944 R. POCHOWANO OFIARY II WOJNY ŚWIATOWEJ: 76 POLSKICH I 15 ROSYJSKICH NIEMOWLĄT. URODZONE PRZEZ ROBOTNICE PRZYMUSOWE ODERWANE OD MATEK, ZMARŁY Z WYCIEŃCZENIA W DOMU DZIECKA W VELPKE. ICH CIERPIENIA SĄ CZĘŚCIĄ HISTORII EUROPY XX WIEKU.
X. 1996 RODACY Z POLSKI
„WENN DAS ECHO IHRER STIMMEN VERHALLEN WIRD – WERDEN WIR ZUGRUNDE GEHEN”
HIER WURDEN IM JAHRE 1944 OPFER DES II WELTKRIEGES BEGRABEN: 76 POLNISCHE UND 15 RUSSISCHE SÄUGLINGE. GEBOREN VON ZWANGSARBEITERINNEN, GETRENNT VON IHREN MÜTTERN, STARBEN SIE AN ERSCHÖPFUNG IM KINDERHEIM VELPKE IHRE LEIDEN SIND EIN TEIL DER GESCHICHTE EUROPAS DES XX. JAHRHUNDERTS.
X.1996 LANDSLEUTE AUS POLEN