KZ Gröditz
Staatsangehörige westlicher Länder und Polen profitierten von einer weniger strengen polizeilichen Überwachung. Russen, Ukrainer und Weißrussen wurden in umzäunte Baracken einquartiert und von bewaffneten Wächtern der Mitteldeutschen Stahlwerke bewacht. In der schlechtesten Lage befanden sich die russischen Gefangenen, die ohne Schutz durch die Genfer Konvention von vornherein zur Vernichtung durch Arbeit verurteilt waren. 1943 änderte sich die Situation an den Fronten und die Werksleitung suchte Fachkräfte, um dem immer größer werdenden Bedarf an Luftabwehrgeschützen gerecht zu werden. Für eine ausgewählte Gruppe russischer Gefangener verbesserte sich dadurch die Lage und es zeigte sich eine Überlebenschance durch Arbeit.
Am ersten Oktober 1944 fuhr der erste Transport aus dem KZ Flossenbürg ein und das Nebenlager Gröditz wurde eingerichtet. Um die Produktionshalle samt umliegendem Gelände wurden Stacheldraht und Wachtürme mit SS-Männern aufgebaut. Die neuen Gefangenen kamen in den Räumen über der Halle unter. Am 22. Oktober erreichten Bewohner der polnischen Hauptstadt das Lager, die nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes aufgegriffen worden waren. In jedem weiteren Transport befanden sich bis Anfang März Polen, auch weitere Warschauer. Das KZ Gröditz unterschied sich nicht von den anderen Nebenlagern des Konzentrationslagers in Flossenbürg: Arbeit über die physische Belastungsgrenze hinaus bei unzureichender Verpflegung, ohne grundlegende medizinische Versorgung, Erniedrigungen und Schläge. Insbesondere wurden die Kranken und diejenigen gequält, die aufgrund von Erschöpfung nicht das Tagessoll erfüllten konnten. Wahrscheinlich gab es eine provisorische Entbindungsstation für russische und polnische Zwangsarbeiterinnen. Die Mutter blieb die ersten Tage beim Neugeborenen, kehrte dann zu ihrer Arbeitsstelle zurück. Die Kinder hatten ohne mütterliche sowie medizinische Pflege und ohne angemessene Ernährung minimale Überlebenschancen. Von 91 dokumentierten Geburten starben 42 Kinder im ersten Lebensjahr, darunter zehn polnische Säuglinge.
Ein Transport aus Auschwitz sollte benötigte Fachkräfte liefern, es kamen allerdings an Typhus erkrankte und arbeitsunfähige Gefangene, darunter ungarische Juden und Kinder im Alter bis 15 Jahren. Die Krankheit verbreitete sich blitzartig und griff insbesondere die nach monatelanger schwerer Arbeit entkräfteten Internierten an. Die Toten wurden auf dem Werksgelände bestattet, anfangs in Einzelgräbern, nach Ausbruch der Epidemie ohne Registrierung der Toten in einem Massengrab, das bis heute nicht gefunden werden konnte. 37 der Gefangenen fanden ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof in Frauenheim in Einzelgräbern, die gut dokumentiert sind.
Noch im Januar 1945 beschäftigten die Mitteldeutschen Stahlwerke 9.354 Menschen, von denen 4.983 Zwangsarbeiter aus zwölf Staaten waren. Am 17 April 1945, zwei Tage nachdem die Russen ins Stalag IV B geschickt worden waren, riss die Verbindung zum Hauptlager in Flossenbürg ab und nach einer Konsultation mit der SS-Leitung und der Dresdener Polizei fiel die Entscheidung zur Lagerevakuierung. Noch am selben Tag trafen zwei SS-Männer aus Dresden ein, die den Befehl hatten, eine Selektion vorzunehmen und die Kranken und zum Marsch Unfähigen zu liquidieren. Nicht alle erreichten das Ziel, die Anzahl der Opfer dieses Marsches ist nicht bekannt. Nachts wurden die Übrigen auf Lastkraftwagen verladen, insgesamt 188 Menschen. Während des Transportes gelang dreien nach einem Sprung aus dem fahrenden Fahrzeug die Flucht, die anderen wurden in Koselitz in einer Kiesgrube durch die SS-Mannschaft des Lagers und Soldaten der deutschen Kriegsmarine erschossen. Am 18. April begann ein im Werk verbliebenes Arbeitskommando von 27 Gefangenen die Spuren der Lagerverbrechen zu verwischen. Den ganzen Tag über wurden in der Produktionshalle alle Lagerdokumente verbrannt. Die Zahl der Häftlinge, die durch das KZ gingen, wird auf 1.000 bis 1.300 geschätzt. Die Toten wurden auf sechs Friedhöfen in Gröditz begraben, die meisten Gräber sind bis heute nicht auffindbar.
Nach dem Ende der Kriegshandlungen exhumierten Militärkommissionen Belgiens, Frankreichs und der USA ihre in Gefangenschaft ums Leben gekommenen Bürger und bestatteten sie in der Heimat oder auf nationalen Gräberfeldern deutscher Friedhöfe. Die übrigen bekannten Gräber von Zwangsarbeitern und Häftlingen des KZ Gröditz und Kriegsgefangenen wurden seit dem Jahr 2000 an ihre letzte Ruhestätte verlegt.