Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.

Blick in die Ausstellung im Museum Folkwang, Essen 1962, u. a. mit der Phantastischen Komposition von Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885-1939), 1915-1920 (2. v. r.)
Blick in die Ausstellung im Museum Folkwang, Essen 1962, u. a. mit der Phantastischen Komposition von Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885-1939), 1915-1920 (2. v. r.)

„Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“. Die erste „offiziöse“ Ausstellung polnischer Kunst in der Bundesrepublik 1962/63.

 

Zahlreiche Publikationen, Ausstellungen und Tagungen haben in den vergangenen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass der Eiserne Vorhang porös war, der sogenannte Ostblock kein monolithischer Block, und es dort eine Kunst jenseits des Sozialistischen Realismus gab. Gleichwohl sind die Forschungslücken nach wie vor groß, vor allem was den Kulturaustausch zwischen Ost und West betrifft. Bisweilen scheint es, die eine Blindheit sei durch eine andere ersetzt worden: Vor lauter (Selbst-)Kritik an westlicher Arroganz und Ignoranz wird übersehen oder bagatellisiert, was es an Kontakten und Austauschbemühungen im Kalten Krieg tatsächlich gab. Dies gilt auch für die sogenannte „polnische Welle“, die – heute weitgehend vergessen – zu Beginn der 60er Jahre den bundesdeutschen Kulturbetrieb erfasste und sich nicht nur in Theater-, Konzert- und Rundfunkprogrammen, sondern auch in einem regelrechten Boom an Ausstellungen polnischer Gegenwartskunst manifestierte. Erforscht sind diese bislang kaum.

Einen Höhepunkt bildete damals die Schau „Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“, die das Museum Folkwang vom 15. Dezember 1962 bis zum 3. Februar 1963 präsentierte (Abb. 1–3). Die Ausstellung, anschließend noch in Stuttgart (Württembergischer Kunstverein), Karlsruhe (Badischer Kunstverein) und Bremen (Galerie Die Böttcherstraße) zu sehen, war vom Nationalmuseum in Warschau ausgerichtet worden und verdankte sich einer Initiative des Generalbevollmächtigten der Firma Krupp, Berthold Beitz, und seines engen Beraters und PR-Chefs Carl Hundhausen. 

 

NEUE QUELLENFUNDE
 

Zwar war es bei Weitem nicht die erste Präsentation polnischer Kunst in der Bundesrepublik – nach vereinzelten Ausstellungen bereits zu Beginn der 1950er Jahre (z. B. Polnische Plakatkunst, Frankfurt a. M. 1950) nimmt die Zahl seit 1956, begünstigt durch das Tauwetter in Polen, sprunghaft zu (darunter z. B. „Neue Kunst aus Polen“, Wanderausstellung durch elf bundesdeutsche Städte 1958/59, oder „Tadeusz Kantor“, Düsseldorf 1959); allein für 1962 lassen sich neben der Schau im Museum Folkwang acht weitere Ausstellungseröffnungen mit polnischer Kunst nachweisen (u. a. in München, Hamburg und Rheinhausen). Dennoch kommt der Folkwang-Ausstellung besondere Bedeutung zu: Mit 81 Gemälden und 75 Zeichnungen war sie die bis dahin größte Überblicksausstellung zur polnischen Moderne, und vor allem galt sie als erste „offiziöse“ Schau (Albert Schulze Vellinghausen, Polnische Malerei. Ausstellung im Folkwangmuseum Essen, F.A.Z, 31.12.1962). Sie ging zwar nicht auf eine offizielle Einladung der Bundesregierung zurück, was zu diesem Zeitpunkt politisch undenkbar gewesen wäre, denn diplomatische Beziehungen wurden erst 1972 aufgenommen, ein Kulturabkommen erst 1976 geschlossen. Immerhin aber handelte es sich um ein Gastspiel des Warschauer Nationalmuseums, und die Gastgeber und Organisatoren auf deutscher Seite – neben dem Museum Folkwang vornehmlich die Firma Krupp und die Stadt Essen, die die Ausstellung auch gemeinsam finanzierten – taten alles, um dem Ereignis ein möglichst offizielles Gepräge zu geben: angefangen mit der Beflaggung vor dem Museum in polnischen, bundesdeutschen und Essener Farben über den feierlichen Festakt zur Eröffnung bis zum ambitionierten Besuchsprogramm, das für die Vertreter des Warschauer Nationalmuseums arrangiert wurde.

Aufschluss darüber geben die Ausstellungsakte 2356 im Archiv des Nationalmuseums in Warschau (AMNW), eine Ausstellungsakte (ohne Signatur) im Archiv des Museums Folkwang (AMF) sowie Akten aus dem Bestand Carl Hundhausen (bes. WA 125/2) im Historischen Archiv Krupp (HAK) in Essen. Während Ausstellung und Katalog in der Literatur gelegentlich erwähnt werden, sind diese Dokumente bislang nicht ausgewertet worden. Auch in den einschlägigen Publikationen zu Berthold Beitz taucht die Ausstellung nicht auf.

Das Archivmaterial erschließt nicht nur die Chronologie der Ausstellungsvorbereitungen, sondern beleuchtet auch schlaglichtartig die bundesdeutsche Stimmungslage in den polnisch-westdeutschen Beziehungen. Nicht zuletzt ging es dabei um Imagepflege mit den Mitteln der Kultur. Zu den wichtigsten Dokumenten gehören in diesem Zusammenhang die minutiösen Reiseberichte im AMNW von Stanisław Lorentz, dem Direktor des Warschauer Nationalmuseums, und seinem Kurator Stefan Kozakiewicz, die beide auf Einladung der Stadt Essen und der Firma Krupp für jeweils zwei Wochen die Bundesrepublik besuchten. 

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