Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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Olga Helena Karolina h. Nowina Boznańska wird am 15. April 1865 in Krakau geboren. Ihre Mutter ist die aus dem französischen Département Ardèche stammende Lehrerin Eugénie Mondant (1832-1892), ihr Vater der in Wien ausgebildete Eisenbahningenieur Adam Gustaw h. Nowina Boznański (1836-1906). Die Familie lebt in einem lang gestreckten zweigeschossigen, aber nicht sehr aufwendigen Wohnhaus, das der Vater 1870 an der ul. Wolska 21 errichten lässt und in dem die Malerin bis zu ihrem Lebensende ein Atelier unterhalten wird.[1] 1868 wird ihre Schwester Iza geboren. Den ersten Zeichenunterricht erhält sie mit sechs Jahren von ihrer Mutter. 1878 und 1881 besucht die Familie die Weltausstellungen in Paris und Wien. Ab 1883 wird Olga in ihrem Elternhaus von den Malern Józef Wojciech Siedlecki (1841-1915) und Kazimierz Pochwalski (1855-1940) im Zeichnen unterrichtet. Die Sommerferien verbringt sie in Zakopane. Im folgenden Jahr beginnt sie ihr Kunststudium an der von dem Sozialaktivisten Adrian Baraniecki (1828-1891) gegründeten und geleiteten Hochschule für Frauenkurse/Wyższe Kursy dla Kobiet; denn das Studium an der traditionellen Krakauer Schule für schöne Künste/Szkoła Sztuk Pięknych ist Frauen verwehrt. Großen Eindruck machen auf sie die Kurse in Kunstgeschichte bei dem Kunstwissenschaftler Marian Sokołowski (1839-1911) und dem Literaten, Kunstkritiker und Historiker Konstanty Maria Górski (1862-1909). Ihre Mal- und Zeichenlehrer sind der Figuren- und Genremaler Hipolit Lipiński (1846-1884) und der Genre- und Porträtmaler Antoni Piotrowski (1853-1924), beide auch Vertreter einer realistischen, farbigen und kleinteiligen Historienmalerei. In den Kursen wird in der Regel nach Gipsköpfen gezeichnet, gelegentlich auch nach einem lebenden Modell. Die gesamte Ausbildung, urteilt Boznańska vierzig Jahre später, sei jedoch reine Zeitverschwendung gewesen.[2]
Im Oktober 1885 oder 1886 wechselt Boznańska, die Krakau ihr ganzes Leben lang als traurig und Furcht einflößend empfindet,[3] nach München um dort ihr Kunststudium fortzusetzen. Die Hauptstadt des Königreichs Bayern ist zu diesem Zeitpunkt seit über zwei Jahrzehnten Flucht- und Sehnsuchtsort polnischer Kunststudenten. Vor allem nach dem Januaraufstand von 1863 sind zahlreiche Malschüler, die an der Erhebung teilgenommen haben, nach München ins Exil gegangen. Unter ihnen ist auch Józef Brandt (1841-1915), der 1863 sein Studium an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste aufnimmt, drei Jahre später in München sein eigenes Atelier eröffnet, zahlreiche weitere polnische Studenten anzieht und bald Mittelpunkt der Münchner „Polenkolonie“[4] wird. Die bayerische Hauptstadt ist für die ausländischen Studenten durch ihre lebendige Kunst- und Galerienszene, die beiden Pinakotheken, die hohe Qualität der an der Akademie lehrenden Professoren und die tolerante Einstellung der Bevölkerung attraktiv. 1858 hat sogar Jan Matejko (1838-1893), der als konservativ und trocken geschmähte Direktor der Krakauer Kunstschule, in München studiert. Vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren lassen sich in München an der Kunstakademie und an privaten Malschulen etliche polnische Maler ausbilden, die schnell bekannt und berühmt werden, unter ihnen Maksymilian und Aleksander Gierymski, Władysław Czachórski, Adam Chmielowski, Józef Chełmoński, Jan Chełmiński, Wojciech Kossak, Alfred Wierusz-Kowalski und Julian Fałat.
[1] Die heutige Adresse des unverändert bestehenden Hauses ist ul. Piłsudskiego 21, vgl. http://krakow-przewodnik.com.pl/uliczkami-i-placami/ulica-pilsudskiego/, Dom nr 21. Auch Boznańskas Atelier im Dachgeschoss ist noch zu erkennen.
[2] Urszula Kozakowska-Zaucha: Great, Truly Great Artist. The Krakow of Olga Boznańska, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 26
[3] Ebenda, Seite 28
[4] „Die Polenkolonie: Brandt, Gierymski, Chelminski, Kowalski, Kozakiewicz“, in: Adolf Rosenberg: Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887, Seite 47