Adam Szymczyk und die documenta 14
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Adam Szymczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Ein „intellektuelles Programm“ in Basel
Erst elf Monate nach seiner Berufung als Leiter der kommenden Documenta wurde Adam Szymczyk zum 31. Oktober 2014 als Direktor der Basler Kunsthalle verabschiedet. Szymczyk sei, so die dort erscheinende Zeitung TagesWoche anlässlich seines Abschieds, bei seinem Dienstantritt 2003 „ein relativ unbeschriebenes Blatt“ gewesen. Seine Zeit an der Basler Kunsthalle habe er mit einem „intellektuellen Programm“ geprägt: „Weg von der Malerei, die sein Vorgänger Peter Pakesch so liebte. Hin zu Leere, zu Reduktion, zu installativen Arbeiten, zu Interventionen. Wenige der internationalen Künstler, die er präsentierte, kannte man vorher schon am Rheinknie. Seine Ausstellungen waren immer eine Herausforderung, auch für Kunstgewohnte. Aber eine Herausforderung, die man gerne annahm: Er öffnete den Blick auf eine Kunst, die aktuell war, politisch oft und gesellschaftlich relevant.“ Den Vorwurf, sich zu wenig auf die lokalen Kunstschaffenden einzulassen, habe er mit der Neukonzeption der „Regionale-Ausstellungen“ und der Einbeziehung der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW pariert.[1]
Konkret eröffnete Szymczyk sein Basler Ausstellungsprogramm 2004 mit der Ausstellung „Earth, Wind and Fire“ des polnischen Multimedia-Künstlers Piotr Uklański (*1968 Warschau), mit dem er schon seit 1999 in der Warschauer Galerie Foksal zusammengearbeitet hatte.[2] Weitere osteuropäische Positionen präsentierte er 2005 mit einer Ausstellung des polnischen Bildhauers, Installationskünstlers, Filmemachers und Fotografen Artur Żmijewski (*1966 Warschau), 2007 mit einer Arbeit des Rumänen Dan Perjovschi und 2008 mit der Ausstellung „only those wild species that appeal to people will survive“ des Slowaken Ján Mančuška. Künstlerische Positionen, die sich kritisch mit dem Betriebssystem Kunst auseinandersetzen, dokumentierte er mit Einzelausstellungen der dänischen Künstlergruppe Superflex (2005), von Gustav Metzger (2006), Peter Friedl (2008), Goshka Macuga und Danh Vo (beide 2009), Matthieu Kleyebe Abonnenc und Adrian Melis (2013) sowie mit den Gruppenausstellungen „How to Work“ und „How to Work (More for) Less“ (beide 2011). In thematischen Ausstellungen beschäftigte sich Szymczyk mit der Konstruktion und Rekonstruktion von historischen Ereignissen, Episoden und Narrationen, die einen anderen Blickwinkel auf die Geschichtsschreibung eröffnen sollten: „QUAUHNAHUAC. Die Gerade ist eine Utopie“ (2006), „Report on Probability“ (2009), „Strange Comfort (Afforded by the Profession)“ (2010) und „Winter Line“ der schottischen Künstler Ross Birrell und David Harding (2014). In Retrospektiven stellte er die New Yorker Künstlerin Lee Lozano (1930-1999), den niederländischen Medienkünstler Bas Jan Ader (1942-1975) und die indische Malerin, Zeichnerin und Fotografin Nasreen Mohamedi (1937-1990) vor.[3] 2011 titulierte die New York Times Szymczyk anlässlich einer von ihm in Wien kuratierten Ausstellung des rumänisch-deutschen Konzeptkünstlers Daniel Knorr als „Superstar among curators“ und „something of a curatorial rock star“.[4] Die Reaktionen von Künstlern, Kollegen und Verantwortlichen aus der Basler Kulturszene auf das anspruchsvolle Ausstellungsprogramm fielen bei Szymczyks Weggang „unterschiedlich“ aus.[5] 2014, so die TagesWoche, nahm er im Ranking der seit 2002 geführten Liste von weltweit einhundert führenden Kunstkuratoren, der „Power 100“ der traditionsreichen Londoner Kunstzeitschrift ArtReview, Platz 21 ein. Seit November 2016 steht er auf dieser Liste, die von einer Gruppe internationaler Fachleute anonym erstellt wird, auf Platz 2.[6]
[1] Karen N. Gerig: Bye bye, Adam!, TagesWoche Basel, 31.10.2014, http://www.tageswoche.ch/de/2014_44/kultur/671978/
[2] Auf Einladung der Fundacja Galerii Foksal/Foksal Gallery Foundation schuf Piotr Uklański 1999 ein Mosaik für den Eingang des Kaufhauses Smyk im Zentrum von Warschau aus Bruchkeramik der Keramikfabriken in Ćmielów und Pruszków. 2002 zeigte er in der Galerie Foksal eine großformatige Arbeit, in der er Porträts von Künstlern und Mitarbeitern der Stiftung, darunter auch Szymczyk, verarbeitete („Foksal Gallery“, 425 x 230 cm). Vergleiche Ewa Gorządek: Piotr Uklański, auf: culture.pl (2004), http://culture.pl/en/artist/piotr-uklanski
[3] Alle Ausstellungen ausführlich im Archiv der Kunsthalle Basel, http://www.kunsthallebasel.ch/exhibitions/past/
[4] Ginanne Brownell: Superstar Among Curators, The New York Times, 13.6.2011, http://www.nytimes.com/2011/06/14/arts/14iht-rartadam14.html
[5] Nachzulesen bei Karen N. Gerig: Stimmen zu Adam Szymczyks Abschied, TagesWoche Basel, 31.10.2014, http://www.tageswoche.ch/de/2014_44/kultur/671964/