Abiturzeugnis von Aleksandra Diermajer aus Maczków an der Ems

Abiturzeugnis von Aleksandra Diermajer aus Maczków an der Ems (später Sękowska)
Abiturzeugnis von Aleksandra Diermajer aus Maczków an der Ems (später Sękowska)

Am 1. August 1944, dem Tag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes, wurde Aleksandra Diermajer 15 Jahre alt. Trotzdem sah die Pfadfinderin es als ihre Picht an, sich am Aufstand zu beteiligen. Sie erlebte nicht nur hautnah die Kampfhandlungen, sondern auch die Brutalität der Niederschlagung des Aufstandes. Bei ihrer Gefangennahme fälschte sie ihr Geburtsdatum und gab sich als Soldatin aus, um als Kriegsgefangene zu gelten und so dem Schicksal in einem Konzentrationslager zu entgehen.

Sie wurde als Kriegsgefangene nach Deutschland gebracht und zusammen mit über 1.700 polnischen Mädchen und Frauen im Lager Oberlangen im Emsland interniert. Viele von ihnen waren Soldatinnen der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa).

Wie ein Wunder empfanden sie die Befreiung des Lagers durch die 1. Polnische Panzerdivision von General Maczek im April 1945, die als Teil der alliierten Kampfverbände aus Holland vorrückte. Die Euphorie war schier grenzenlos: Polnische Soldaten befreiten eher zufällig 1.700 polnische Frauen. Eines deutete sich jedoch bereits an: Polen als freies Land würde es nach dem Krieg aufgrund der neuen politischen Ordnung in Europa wohl nicht geben. Die Entscheidung zwischen einer Rückkehr nach Polen oder dem Verbleib im Exil wurde nach und nach zu einem immer drängenderen Dilemma. Das hielt die Einzelnen jedoch nicht davon ab, in eine Zukunft, wo auch immer sie sein möge, zu investieren.

Als Aleksandra Diermajer hörte, dass im benachbarten Maczków ein polnisches Gymnasium und ein Lyzeum gegründet wurden, fasste sie sofort den Entschluss, dort ihr Abitur zu machen. Maczków war der neue Name der ehemaligen Stadt Haren, die nach der Räumung von den deutschen Bewohnern und der Errichtung einer polnischen Verwaltung zu einer rein polnischen Enklave in Deutschland geworden war. Zu Ehren des Generals Maczek war sie von den Polen umbenannt worden.

Schnell entwickelte sich Maczków zu einer Art Heimatersatz mit einem regen kulturellen Leben. Trotz des sich immer deutlicher abzeichnenden Exilzwangs herrschte unter den jungen Polen
eine regelrechte Aufbruchsstimmung, die von der besonderen Atmosphäre der Kleinstadt unterstützt wurde. Ein Hauch des freien Polens wehte durch den Ort, in dem es polnische Büchereien, polnische Seelsorge, ein polnisches Krankenhaus, polnische Handwerksbetriebe, Sportvereine, Theater, Konzerte und Filmvorführungen gab.

In dieser Umgebung absolvierte Aleksandra Diermajer erfolgreich die Schule und schloss mit dem Abitur ab. Während ihres Aufenthalts in Maczków lernte sie auch ihren späteren Ehemann Stefan Sękowski kennen. Das junge Paar schmiedete viele gemeinsame Pläne. Dazu gehörte vor allem Aleksandras Studium an einer britischen Universität. Die familiäre Situation ihres Mannes machte diese Pläne jedoch zunichte. Um in Polen verbliebene Angehörige zu pflegen, kehrte das Paar in die alte Heimat zurück. Mittlerweile stand diese jedoch vollständig unter kommunistischer Herrschaft. So wurden sie bei der Ankunft von polnischen Sicherheitskräften empfangen.

Es gehört zu den zahlreichen Paradoxen der damaligen Zeit, dass ihr Abiturzeugnis, ausgestellt in einer westlichen Stadt, die es nach 1948 nicht mehr gab, im kommunistischen Polen als Zugangsberechtigung zum Studium anerkannt wurde, wie der rote Stempel der Warschauer Universität auf dem Zeugnis belegt.

 

Jacek Barski, Februar 2017