Pola Negri
Eher durch Zufall, manche behaupten schmunzelnd mit Gottes Hilfe, denn in der Warschauer Klosterschule fühlte sich das aufgeweckte Mädchen nicht ganz wohl, beendet Pola Negri die Ballettschule in Warschau. Sie ist nicht nur eine sehr talentierte, sondern vor allem eine fleißige Schülerin. Eine Krankheit macht ihr die Karriere einer Balletttänzerin allerdings unmöglich. Doch ihr Ehrgeiz und der Wille, auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu stehen, bringen sie doch noch auf die Bühne.
Sie nimmt Schauspielunterricht bei der großen Theaterpädagogin Honorata Leszczyńska, bei der sie schnell und viel lernt. Und so spielt sie ihr Theaterdebüt am 1. September 1912 im Warschauer Theater „Teatr Maly“ in der Rolle Anielka Dobrojskas in Aleksander Fredros Stück „Śluby panieńskie“ (Mädchenschwüre) im zarten Alter von 15 Jahren. Die Kritiker sind von ihr begeistert.
Die Theaterhäuser reißen sich um sie. Für die Kinoleinwand entdeckt sie schließlich Kazimierz Hulewicz. Er schreibt speziell für sie das Drehbuch zu „Niewolnica zmysłów“ (Die Sklavin der Leidenschaft), das unter der Regie von Jan Pawłowski und mit Pola Negri in der Hauptrolle am 25. Dezember 1914 die Kinopremiere feiert. Auch hier wird das Schauspiel von Pola Negri begeistert aufgenommen. Sie spielt in acht weiteren polnischen Filmen, bis sie ihre Karriere in Berlin fortsetzt. 1917 erscheint der erste deutsche Film mit Pola Negri - „Nicht lange täuschte mich das Glück“ von Kurt Matull.
In ihren ersten deutschen Filmen konnte sie ihr Potenzial noch nicht voll ausschöpfen, dennoch wurde sie hoch gelobt. Erst der Kontakt zu dem jungen und sehr talentierten Regisseur Ernst Lubitsch eröffnet der polnischen Schauspielerin neue Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks. Mit dem Monumentalfilm „Die Augen der Mumie Ma“ (1918) gelingt Lubitsch der große Durchbruch und für Pola Negri bedeutet er der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere. Weitere sollen noch folgen, auch dank Lubitsch und seiner Filme „Carmen“ (1918), „Madame Dubarry“ (1919) und „Sumurun“ (1920) bekommt sie lukrative Angebote.
Mit ihren Rollen wird Pola Negri auch international überaus populär. In Deutschland wird sie in dieser Zeit in Anlehnung an die berühmte Theaterschauspielerin Eleonora Duse auch "Duse der Leinwand" genannt. Dieser Titel macht die große Anerkennung für das Talent und die Leistungen von Pola Negri deutlich. Über 20 Filme dreht sie in Berlin bis sie einen lukrativen Vertrag von Paramount Pictures in Hollywood bekommt. 1922 fliegt die damals 25-jährige Pola Negri nach Amerika, wo sie eine der wenigen Superstars der Stummfilmära wird. Erst Ende der 20er Jahre sinkt langsam ihr Stern, weshalb sie beschließt, nach Deutschland zurückzukehren. Doch das Deutschland der 30er Jahre hat nur wenig mit dem gemeinsam, was sie aus ihrem letzten Aufenthalt in Berlin kannte. Die Nationalsozialisten haben die Macht und sie kontrollieren jeden Lebensbereich, auch den Film.
Der nationalsozialistischen Propaganda ausgeliefert dreht sie in Berlin nur wenige Filme, darunter aber auch Perlen wie „Mazurka“ (1935), “Moskau - Shanghai“ (1936) und „Tango Notturno“ (1937). 1938 verlässt sie Deutschland und kehrt über Frankreich nach Amerika zurück, allerdings ohne größere Erfolge zu feiern. Die Ära des Stummfilms ist vorbei und mit ihr auch die ihrer Stars. Pola Negri bleibt bis zu ihrem Tod in Amerika, kommt aber noch einmal kurz nach Deutschland. 1964 zeigen die Berliner Filmfestspiele eine Retrospektive ihrer Filme. Zum letzten Mal zeigt sie sich auf dem roten Teppich, umwerfend schön wie immer - Pola Negri.
Biographische Daten
Pola Negri, eigentlich aber Barbara Apolonia Chalupiec
1897 geboren am 3. Januar in Lipno (Polen)
1904 Umzug nach Warschau
1912 Theaterdebüt in Warschau (Teatr Maly / „Sluby panienskie“)
1914 Filmdebüt in Warschau („Niewolnica zmyslow“. Regie: Jan Pawlowski)
1917 - 1923 Filmarbeiten in Berlin
1922 Umzug in die USA
1923 - 1928 Filmarbeiten in den USA
1934 erneuter Umzug nach Berlin
1938 Ausreise aus Deutschland, über Frankreich nach Amerika
1964 letzter Film mit Pola Negri (The Moon-Spinners / Der Millionesschatz)
Am 1. August 1987 stirbt Pola Negri in San Antonio (USA)
Zusatzinformationen:
Pola Negri unterbricht ihre Balletausbildung wegen Tuberkulose. In dem Kurort Zakopane wird sie gesund. Dort sucht sie nicht nur Kraft zum Leben, sondern auch ihre künstlerische Inspiration, die sie in den Gedichten der italienischen Dichterin Ada Negri findet. Fasziniert von ihren Werken nimmt Apolonia Chalupec das Pseudonym Pola Negri an.
Das Glück in der Liebe suchte sie vergeblich. Sie war zwei Mal nicht gerade glücklich verheiratet - 1919 mit dem polnischen Grafen Eugeniusz Dambski und 1927 mit dem georgischen Prinzen (übrigens nicht echt) Sergius Midivani. Beide Ehen wurden geschieden. Dazwischen und danach gab es viele Affären. Die berühmteste war wohl die mit Charlie Chaplin und dem anschließendem Rosenkrieg; die tragischste mit Rudolfo Valentino, der nach einer Operation und kurz vor der angeblich geplanten Hochzeit mit Pola Negri stirbt.
Angeblich war der Film „Mazurka“ mit Pola Negri in der Hauptrolle einer der Lieblingsfilme von Adolf Hitler. Er soll sie vergöttert haben, auch wenn Pola Negri, Apolonia Chalupec, den Ariernachweis nicht vorweisen konnte. Dass sie nicht jüdischer Abstammung sein kann, bestätigte man in einer amtlichen Mitteilung von Joseph Goebbels, dem Propaganderminister höchstpersönlich.
Bundeskanzler Willy Brandt überreicht ihr 1972 in Deutschland die Gerhart-Hauptmann-Medaille in Gold.
Bemerkenswertes Zitat:
“Im Kino ist es wie im Leben, man muss einen guten Platz nehmen!”
Filmografie:
Polen
1914 Niewolnica zmysłów (Die Sklavin der Leidenschaft)
1915 Żona (Die Ehefrau)
1915 Czarna książeczka (Schwarzes Buch)
1916 Studenci (Studentenliebe)
1917 Bestia (Die Bestie)
1917 Arabella
1917 Pokój nr 13 (Wabda Barska)
1917 Tajemnica Alei Ujazdowskich
1917 Jego ostatni czyn (Seine letzte Tat)
Deutschland
1917 Küsse, die man stiehlt im Dunkeln (Za pocałunek-wieczystych nocy męki)
1917 Nicht lange täuschte mich das Glück (Niedługo mnie szczęście łudziło)
1917 Die toten Augen (Martwe oczy)
1917 Wenn das Herz in Haß erglüht (Gdy serce nienawiścią pała)
1917 Rosen, die der Sturm entblättert
1917 Zügelloses Blut (Rozpasana)
1918 Die Augen der Mumie Ma (Oczy mumii Ma)
1918 Carmen
1918 Mania - die Geschichte einer Zigarettenarbeiterin (Mania)
1918 Der gelbe Schein (Żółty paszport)
1919 Kreuziget sie! (Awanturnica)
1919 Vendetta (Vendeta - Zemsta krwi)
1919 Das Karusell des Lebens (Dzieje mężatki)
1919 Komtesse Dolly (Hrabina Rondoli)
1919 Madame Dubarry
1920 Die Marchesa d'Armiani (Markiza d'Arminiani)
1920 Arme Violetta (Biedna Violetta)
1920 Die Geschlossene Kette
1920 Das Martyrium
1920 Sumurun
1921 Sappho (Safona)
1921 Die Bergkatze (Dzika kotka)
1922 Die Flamme
USA
1923 Hollywood
1923 Bella Donna
1923 The Cheat
1923 The Spanish Dancer
1924 Men
1924 Lily od the Dust
1924 Shadows of Paris
1924 Forbidden Paradise
1925 A Woman of the World
1925 Flower of the Night
1925 East of Suez
1925 The Charmer
1926 The Crown of Lies
1926 Good and Naughty
1927 Barbed Wire
1927 The Woman on Trial
1927 Hotel Imperial
1928 The Secret Hour
1928 Three Sinners
1928 The Woman from Moscow
1928 Loves of an Actress
Europa
1929 The Way of Lost Souls/The Woman He Scorned
1932 A Woman Commands
1934 Fanatisme
1935 Mazurka
1936 Gräfin Volescu
1936 Moskau-Szanghai
1937 Madame Bovary
1937 Tango Notturno
1938 Die fromme Lüge (Pobożne kłamstwo)
1938 Die Nacht der Entscheidung
USA
1943 He Diddle Diddle
1964 The Moon-Spinners (Der Millionenschatz, Księżycowe prządki)
Adam Gusowski, Juni 2014